Der Kult um das Unnötige

Luxusgüter sind gefragt wie noch nie, der Markt dafür klettert von einem All-Time-High zum nächsten. Mit den richtigen Aktien aus diesem Bereich und ihren Erträgen lässt sich dem Luxus leichter frönen.

Luxus, so meint der deutsche ­Chemiker Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger in seinem Buch „Im Labyrinth der Gedanken“, ist der „Kult um das Unnötige“.

Warum also eine Uhr, so teuer wie ein Auto, wenn es auch der ­Wecker von Opa noch tut? Warum Schuhe mit Preisen jenseits der Schallmauer, wenn’s auch schöne, aber wohlfeile Panto­letten von Bata gibt? Und gar Hand­taschen, für deren Anschaffungspreis man den Lebensmittelbedarf ­einer durchschnitt­lichen vierköpfigen ­Familie für ein ganzes Jahr decken könnte; oder Socken aus der Wolle von peruanischen Vikunjas für ­einen reschen Tausender: Der Markt für Luxusgüter boomt und wird, wie das letzte Beispiel zeigt, sogar immer breiter – daran hat auch der Krisen-Tsunami der letzten Jahre nichts geändert.

Nach dem Höchstwert von 345 Mrd. € im Jahr 2022 – gegenüber den 290 Mrd. € 2021 ein Plus von rund 19 % – wächst der weltweite Markt für persönliche Luxus­güter solide weiter, meldet das Management-Consulting-Unternehmen Bain & Company. Die Delle, die der Bereich im Jahr 2020 im Zuge der Coronapandemie einstecken musste (als Luxus­güter „nur“ 220 Mrd. € brachten), ist längst bereinigt: Im Vorjahr wurde die nächste Rekordmarke (362 Mrd. €) erreicht. Accessoires brachten der ­Branche dabei mit 130 Mrd. € das meiste Geld ein; allein mit Lederaccessoires wurde um knackige 25 % mehr umgesetzt.

Auch für die kommenden Jahre stehen die Zeichen auf Wachstum: Laut Studie könnte das weltweite Marktvolumen bis 2030 auf bis zu 570 Mrd. € steigen. Das Wachstum soll vor allem aus Asien kommen, denn abseits der renommierten Luxusmetropolen in Frankreich oder den USA wird etwa Indien zu einem immer wichtigeren Land für das Luxusgeschäft. Angesichts des rapiden Wirtschaftswachstums und der steigenden Zahl an Millionären rechnet Bain & Company damit, dass sich der indische Luxusmarkt bis 2030 um den Faktor 3,5 vergrößert. Die Bain-Studie prognostiziert auch, dass chinesische Kunden bis 2030 einen Anteil von 35 bis 40 % am globalen Markt für persönliche Luxus­güter haben werden.

Auch in Japan boomt das ­Luxusgeschäft, was sowohl auf die treue lokale Kundschaft als auch die touristischen Zuflüsse aufgrund des schwachen Yens zurückzuführen ist. Generell verzeichnen auch die südostasiatischen Länder eine positive Dynamik, dank des starken regionalen Tourismus sowie des wachsenden Interesses der lokalen Verbraucher, insbesondere in Thailand.

Nach Generationen auf­geschlüsselt dürfte die Generation Z bis 2030 voraussichtlich 25 bis 30 % der Luxus-Umsätze ­generieren, während der Anteil der ­Generation Y bei rund 50 % liegt. Beim Markt für Luxusgüter haben vor allem die Franzosen die Nase vorn – dort ist auch die Mehrheit der Hersteller beheimatet, wie zum Beispiel LVHM.

Das Kürzel steht für Louis ­Vuitton Moët Hennessy. Das 1987 aus einem Merger von Moët Hennessy und Louis Vuitton entstandene Pariser Unternehmen ist der weltweite Branchenführer der Luxusgüterindustrie, der Rechte an 75 verschiedenen Marken hält, die weltweit in etwa 5.000 Geschäften in rund 80 Ländern vertrieben werden. Der Konzern unter der Führung des legendären Bernard Arnault hat rund 196.000 Mitarbeiter mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren und einem Frauenanteil von beachtlichen 71 %. LVMH ist auch das wertvollste börsennotierte Unternehmen Frankreichs.

Die Geschäfte laufen rund für die Franzosen, und so hat die ­Aktie während der letzten fünf Jahre um knapp 90 % zugelegt; sie kostete zu Redaktionsschluss knapp 660 €. Mit einem KGV von knapp über 24 und einer Dividendenrendite von 1,77 ist sie zwar kein Schnäppchen, doch die Wachstumsaussichten über­zeugen Anleger wie Analysten: Die DZ Bank hat den fairen Wert für LVMH nach Zahlen zum zweiten Quartal zwar von 930 auf 750 € ­gesenkt, die Einstufung jedoch auf „Kaufen“ belassen; das Kursziel ­gesenkt hat man auch bei der britischen Investmentbank Barclays, und zwar von 915 auf 860 €, aber die Einstufung auf „Over­weight“ ­be­lassen. Ähnlich reagiert hat aktuell auch die kanadische RBC: Ihre Experten haben das Kursziel für LVMH von 900 auf 800 € gesenkt, aber den Daumen weiter in Richtung „Outperform“ gehoben.

Deutsche Unternehmen sind im Segment der Luxusgüter nicht besonders stark vertreten, wenn man die Autobranche und Ausnahmen wie Wolfgang Joop außen vor lässt – doch mit Hugo Boss gibt es einen Konzern, der weit über die Grenzen des Landes bekannt ist. 1924 im baden-württembergischen Metzingen von Hugo Ferdinand Boss gegründet produzierte das Unternehmen Uniformen für SA, SS, Wehrmacht und Hitlerjugend, wofür man vor einem Vierteljahrhundert auch finanziell Abbitte leistete. Heute ist man mit einem Drei-Marken-Konzept – nämlich Boss, Hugo und Baldessarini – inter­national präsent. Knapp 19.000 Mitarbeiter erwirtschaften 4,2 Mrd. € Umsatz; man produziert Anzüge, Parfums und Accessoires.

Die Aktie wurde während der letzten Jahre heftig ­gebeutelt und verlor während der letzten zwölf Monate fast die Hälfte ihres Werts, gab aber im letzten Monat mit ­einem Plus von 4 % ein deut­liches ­Lebenszeichen. Zuletzt notierte das Papier bei 38 €; ein KGV von 18 macht Hugo Boss deutlich interessanter als den Mitbewerber LVHM.

Die internationale Finanz­gemeinde glaubt jedenfalls an das Papier: Das Analyse­haus Warburg Research hat das Kursziel für Hugo Boss von 85 auf 75 € gesenkt, aber die Einstufung auf „Buy“ belassen. Der dabei zu erwartende Gewinn von zum aktuellen Kurs 96 % macht durchaus einen schlanken Fuß.

Wesentlich mehr Drive am Parkett zeigte das 1837 vom gebürtigen Krefelder Thierry Hermès gegründete gleichnamige französische Modehaus: Der Wert seiner Aktie hat sich während der letzten fünf Jahre verfünffacht.

Zu Redaktionsschluss war eine Aktie des Unternehmens mit mehr als 20.000 Mitarbeitern weltweit für 2.128 € zu haben. Das KGV ist mit 46 – na, sagen wir mal, um im Mode­jargon zu bleiben – avantgardistisch, hat aber durchaus noch Luft nach oben, wenn man den Experten Glauben schenken will: So hat zwar die britische Investmentbank Barclays das Kursziel für den Konzern mit zuletzt fast zwölf Mrd. Umsatz von 2.320 auf 2.260 € ­gesenkt, aber die Einstufung auf „Overweight“ gesetzt. Analystin ­Carole Madjo passte ihre Schätzungen an den Halbjahresbericht der Franzosen an. Dabei kappte sie vor allem die Margenprognose etwas; Hermès liefere aber weiterhin besseres Wachstum ab als die Luxusgüterbranche insgesamt, ist Madjo überzeugt.

Die optimistischste Einstufung für den Modekonzern liefert die Schweizer Großbank UBS mit einem Kursziel von 2.510 € und einer Kaufempfehlung. Entgegen einigen Marktsorgen habe sich die tradi­tionell widerstandsfähige Sparte Lederwaren des Luxusgüter­konzerns im ersten Halbjahr nicht von der nachlassenden Wachstumsdynamik in den anderen Bereichen anstecken lassen, schrieb Analystin Zuzanna Pusz. Am Grund für die Prämie der Aktie zur Branche – der höheren Kapitalrendite (ROIC) – sollte sich nichts ändern. Hermès zählt weiter zu ihren Favoriten. Trifft ihr Szenario ein, sind mit dem Papier 18 % zu verdienen.

Illustration, Infografiken: Marlene Zumpf

Reinhard Krémer

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