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Seit 15 Jahren leitet Ivan Glasenberg den Schweizer Rohstoffriesen Glencore. Erst kürzlich überstand der Konzern eine handfeste Krise, der Ausblick scheint besser denn je. Glasenbergs – und damit Glencores – Geheimnis? Eine scheinbar angeborene Fähigkeit, Deals auszuhandeln.
Ivan Glasenberg wartet meist nicht lange, um seine Meinung zu äußern. Der südafrikanische Akzent ist dabei durchaus hörbar – und auch sein Wesen wird bei seinen Ausführungen schnell deutlich: geradeheraus, direkt, ohne lange um den heißen Brei herumzureden. Dabei ist das langsam dünner werdende Haar des für sein Alter von 60 Jahren erstaunlich fitten Mannes stets gut gekämmt. Die Fitness ist jedoch – wie vieles in Glasenbergs Leben – hart erarbeitet. Angeblich steht er stets um 5 Uhr Früh auf, um noch vor Arbeitsbeginn Rad fahren, schwimmen oder laufen zu gehen. Diese Leidenschaft für den Sport existiert schon länger: So wollte Glasenberg als Geher an den Olympischen Spielen 1984 teilnehmen. Da Südafrika aber wegen des Apartheid-Regimes disqualifiziert war und sein Plan B – nämlich unter der israelischen Flagge zu starten – wegen eines technischen Details unmöglich war, blieb es bei dem Traum.
Unternehmerisch hat der Manager gerade mehr Hürdenlauf als Spaziergang hinter sich. Denn der von Glasenberg geleitete Rohstoffriese Glencore erlebte in den letzten beiden Jahren eine wahre Achterbahnfahrt. Dass diese mittlerweile beendet ist und es für den Konzern wieder steil bergauf geht, hat vor allem auch mit Glasenberg selbst zu tun. Denn der Manager handelte, ganz seinem Wesen entsprechend, schnell, setzte harte Maßnahmen um und sicherte so die Existenz seines Unternehmens ab. Dabei gilt es zu beachten, welcher Koloss 2015 so gehörig ins Wanken geriet: Im Jahr 2016 erzielte Glencore 152,9 Milliarden US-$ Umsatz, ein EBITDA (Betriebsergebnis vor Steuern und Abschreibungen) von 10,3 Milliarden US-$ und einen Reingewinn von 1,4 Milliarden US-$. Damit ist der Schweizer Konzern nicht nur Marktführer im globalen Rohstoffhandel, sondern findet sich auf der Forbes-Global-2000-Liste der größten Unternehmen auch – am Umsatz gemessen – auf Platz 14 weltweit. Bereits seit 15 Jahren leitet der innerhalb seines Unternehmens nur als „Ivan“ bekannte Manager Glencore. Doch wer ist dieser Mann, der so viel finanzielle Feuerkraft verantwortet? Warum hatte sein Unternehmen unter einer massiven Krise – oder Nichtkrise, je nachdem, wen man fragt – zu leiden? Und was haben Chinas BIP pro Kopf, der Kobaltpreis sowie die Intelligenz von Wladimir Putin mit der Geschichte zu tun?
2011 verkaufte Glencore Aktien im Wert von zehn Milliarden US-$ – der grösste internationale Börsengang in London aller Zeiten.
Um das zu beantworten, braucht es einen Blick in die Vergangenheit. Denn das heute unter dem Akronym für Global Energy Commodity and Resources firmierende Unternehmen hieß bei seiner Gründung im Jahr 1974 nicht Glencore, sondern Marc Rich + Co. AG. Benannt hatte es der spanisch-israelische Unternehmensgründer nach sich selbst. Rich, ein gleichermaßen legendärer wie umstrittener Rohstoffhändler, begründete nicht nur den modernen Ölhandel (Spotmarkt), sondern machte sein erstes Vermögen auch mit (illegalen) Öldeals im Iran. Ebendeswegen und wegen Vorwürfen der Steuerhinterziehung flüchtete Rich 1983 vor dem Prozess aus den USA in die Schweizer Stadt Zug (Randnotiz: Bill Clinton erteilte Marc Rich an seinem letzten Amtstag als US-Präsident eine – heftig diskutierte – Begnadigung). Nachdem Rich sein Unternehmen langsam, aber stetig aufgebaut hatte, setzte er 1994 (unbestätigte) 172 Millionen US-$ in den Sand, weil die von ihm angestrebte Übernahme der Kontrolle am globalen Zinkmarkt scheiterte. Daraufhin drängte ihn sein eigenes Management dazu, seine Anteilsmehrheit am Unternehmen um – ebenfalls unbestätigte – 600 Millionen US-$ zu verkaufen und sich zurückzuziehen. Das verbliebene Management verpasste sich einen neuen Namen – wohl auch, um den umstrittenen Gründer hinter sich zu lassen – und trieb die Expansion in die Branchen Bergbau, Verhüttung, Raffinerie und Verarbeitung durch strategische Zukäufe weiter voran.
So werkte der Konzern fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit in der Schweiz vor sich hin und schrieb dabei zumeist stattliche Gewinne. 1984, also zehn Jahre bevor Rich von ihr verschwand, erschien Ivan Glasenberg in Südafrika auf Glencores Bildfläche. Nach einem dreijährigen Engagement als Marketier in der Kohleabteilung wechselte Glasenberg für zwei Jahre nach Australien. Anschließend leitete er die Glencore-Büros Hongkong und Peking und stieg 1990 zum Chef des globalen Kohlegeschäfts auf. In dieser Position war er zwölf Jahre lang tätig und machte sich mit der Fähigkeit, schnell zu lernen, und Risikofreude rasch einen Namen; etwa als er in den 90er-Jahren in Australien, Südafrika und Kolumbien Kohleminen aufkaufte. Mit diesem Schachzug verdiente Glencore gutes Geld, als die bis dahin abnehmende Nachfrage nach Kohle plötzlich wieder anzog. 2002 wurde der Südafrikaner dann CEO von Glencore. „Ivan“ wollte Glencores Expansion fortsetzen, er war fest überzeugt, dass ein starkes Minengeschäft für die Zukunft des Unternehmens essenziell sei.
Um dies zu bewerkstelligen, wollte Glasenberg das von Glencore mitgegründete Bergbauunternehmen Xstrata vollständig übernehmen. Der erste Versuch scheiterte 2007 jedoch an der Finanzkrise. Die Krise deckte Glencores Schwächen erstmals auf und brachte Glasenberg dazu, die Expansion mit frischem Kapital aus einem Börsengang zu finanzieren. Das Unternehmen verkaufte 2011 Aktien im Wert von zehn Milliarden US-$ an der London Stock Exchange – der größte internationale Börsengang in London aller Zeiten. 2012 klappte es dann auch mit dem Kauf von Xstrata. CEO sollte damals eigentlich Glasenbergs Freund Mick Davis werden. Doch der katarische Staatsfonds hatte zu diesem Zeitpunkt bereits genügend Anteile an Xstrata erworben, um den Deal zu blockieren. Katars damaliger Premierminister, Scheich Hamad bin Jassim bin Jaber al Thani, wollte eine höhere Zuteilung. Glasenberg flog kurzerhand nach London und verhandelte mit dem Scheich – und Unterstützung des britischen Ex-Premierministers Tony Blair – bis in die frühen Morgenstunden. Letztendlich kam es zu einer Einigung: Katar sollte zusätzliche Aktien im Wert von 3,5 Milliarden US-$ erhalten – und Glasenberg selbst, nicht Davis, würde CEO werden. Davis war aus dem Spiel, er verließ das Unternehmen kurze Zeit später.
Glasenberg machte seinem Ruf als meisterhafter Trader alle Ehre. Glencore ging gestärkt in die nächsten Jahre und war so selbstbewusst, dass man 2014 Aktien im Wert von einer Milliarde US-$ zurückkaufte – obwohl die Rohstoffpreise damals bereits im Fallen begriffen waren. Durch den Xstrata-Deal hatte sich die Situation für Glencore insofern jedoch geändert, dass man ab sofort den Mechanismen der Finanzmärkte in gewisser Weise ausgesetzt war. Jahrelang hatte Glencore sein Verhältnis von Nettoverschuldung und EBITDA nämlich rund um den Wert von 3:1 gehalten, um sich sicher zu fühlen – und die Ratingagenturen zu beruhigen. Denn laut deren Anforderungen darf die Verschuldungsquote (gemessen am EBITDA) eines Unternehmens nicht höher als 3:1 liegen, um einer Aktie ein Prime-Rating zu erteilen („BBB“ oder besser). Als dann im Verlauf des Jahres 2015 vermehrt Gerüchte über eine Wachstumsschwäche in China aufkamen, wurde es für Glencore und Glasenberg zunehmend ungemütlich. Denn China ist für rund die Hälfte der globalen Rohstoffnachfrage verantwortlich.
Wenn das Land also weniger stark wächst, fällt die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen, was die Preise nach unten treibt – und damit auch Glencores Aktie. Einige Investoren sahen durch einen Short auf Glencore-Aktien (sprich ein Setzen auf fallende Preise) also eine gute Möglichkeit, ihr China-Exposure abzusichern. Die Verluste in China würden so durch die Glencore-Wette abgefangen. Doch nicht nur Glencore kam unter die Räder: Ähnliche „Attacken“ musste etwa auch Konkurrent Anglo American über sich ergehen lassen. Der Minenkonzern hatte auch deshalb 2015 die schlechteste Performance aller im britischen Leitindex FTSE 100 gelisteten Titel. Glasenberg: „Die Rohstoffbranche ist zyklisch, mit starken Ausschlägen nach unten und oben. Das kann den eigenen Umsatzfluss signifikant beeinflussen. Unser Geschäftsmodell ist nicht wie jenes von Nestlé, wo es eine relativ konstante Umsatzentwicklung gibt.“ Es entwickelte sich ein Abwärtsstrudel: Zwischen 1. Mai und 28. September 2015 fiel der Kurs von 309 auf 68 Pence. Das ist ein Minus von 78 Prozent – in nur fünf Monaten. Letztendlich verlor Glencore alleine im Kalenderjahr 2015 rund 41 Milliarden US-$ an Marktkapitalisierung – das entspricht dem heutigen Gesamtwert von Unternehmen wie Adidas oder der Deutschen Post. Doch Glasenberg glaubte die Story schlicht nicht. In der kurzen Frist sei China stets unberechenbar, argumentierte er, doch langfristig sei das Wachstum im Reich der Mitte unbestritten. Diesen Punkt unterstreicht der CEO gerne mit statistischen Fakten. Besonders das BIP pro Kopf als Indikator für wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand hat es ihm scheinbar angetan. Chinas (absolutes) BIP pro Kopf läge nämlich bei „nur“ 9.000 US-$, Taiwans bei 30.000 US-$, in den USA sind es 55.000 US-$, in der Schweiz gar 80.000 US-$. Chinas Aufholpotenzial gegenüber anderen Industrie- oder gar Schwellenländern ist für Glasenberg also völlig offensichtlich.
Im Gegensatz zu den meisten anderen börsennotierten Unternehmen hält das Glencore-Management nämlich einen signifikanten Anteil eigener Aktien. Glasenberg ist mit 8,4 Prozent insgesamt zweitgrößter Einzelaktionär (nach dem katarischen Staatsfonds QIA), das Management und die Mitarbeiter halten gesamt rund 30 Prozent. Neben dem Wohl seines Unternehmens trieb den laut Forbes-Schätzung rund 4,7 Milliarden US-$ reichen Manager also auch Eigeninteresse, als er im September 2015 einen radikalen Schuldenplan ankündigte. Glencore würde zwei Dividendenzahlungen aussetzen, Assets im Wert von zwei Milliarden US-$ sowie Aktien im Wert von 2,5 Milliarden US-$ verkaufen. Glasenberg und Senior-Manager nahmen an der Kapitalerhöhung teil und steuerten 550 Millionen US-$ bei.
Für das Unternehmen und seine Aktionäre waren die Einschnitte schmerzhaft. Und kurzfristig sah es aus, als blieben die Märkte von Glencores Maßnahmen unbeeindruckt. Doch dann erholte sich China (bzw. verpufften die Gerüchte über die Wachstumsschwäche) und Glencores Schuldenplan fing an zu greifen. Die Märkte fanden wieder Vertrauen zu der Aktie. Ende 2015 landete Glencore bei einem EBITDA von 8,7 Milliarden US-$ – nahe dem Ergebnis von neun Milliarden US-$, die Glasenberg immer wieder gebetsmühlenartig prophezeit hatte.
Und dass sich die Hedgefonds bei ihrem Spiel letztendlich die Finger verbrannt hatten, befriedigt den Südafrikaner vermutlich heute noch.
Doch trotz Schuldenplan ist der finanzielle Polster Glasenberg scheinbar noch nicht flauschig genug. Angestrebt hatte Glencore einen Polster von 2:1 bis Ende 2016 – und verlautbart, dass die Schulden nie wieder höher liegen würden. Letztendlich waren sie aber noch niedriger. Denn mit einem EBITDA von 10,3 Milliarden US-$ (2016) und einer Nettoverschuldung von 15,5 Milliarden US-$ (Ende 2016), liegt man derzeit bei einem Verhältnis von 1,5:1. Und Glasenberg schließt nicht aus, es auf 1:1 zu drücken. Glasenberg: „Die Maßnahmen, die wir getätigt haben, um unsere Bilanz zu stärken, machen es für Investoren deutlich schwieriger, uns auf Basis unserer Verschuldung zu attackieren.“ Das wieder erstarkte Selbstbewusstsein von Glencore und seinem CEO zeigt sich aber auch in Glasenbergs wiedergefundener Spezialität: das Aushandeln von Deals geht jetzt wieder leichter von der Hand. Der Beweis? Der im Dezember 2016 mit Russland, genauer gesagt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, verhandelte Rosneft-Deal. Die Ausgangslage: Putin wollte einen signifikanten Anteil am staatlichen Ölkonzern Rosneft verkaufen, um der stockenden russischen Privatisierungsoffensive auf die Sprünge zu helfen. Und er holte Glencore an Bord. Beziehungsweise: Glencore & Co. Denn im Detail übernimmt ein Joint Venture aus Glencore und dem katarischen Staatsfonds 19,5 Prozent der Anteile am russischen Ölkonzern – für 10,2 Milliarden €. Das Beachtliche daran ist, dass Glencore nur drei Prozent der gesamten Kaufsumme, sprich 300 Millionen €, selbst investiert. Den Rest übernehmen der katarische Staatsfonds (2,5 Milliarden €) sowie ein Kredit von fünf Milliarden €, den das Joint Venture bei der italienischen Bank Intesa Sanpaolo aufnahm. Die Differenz von rund zwei Milliarden US-$ finanzierten zudem russische Banken – und übernahmen damit auch einen nicht unbeachtlichen Teil des Risikos. Und als ob das noch nicht genug wäre, erhielt Glencore ein neues Lieferabkommen: Fünf Jahre lang kann das Unternehmen 220.000 Barrels Erdöl von Rosneft beziehen. Zu welchem Preis dieses Öl zu Glencore fließt, ist nicht bekannt.
Die Öffentlichkeit staunte dennoch: Die „NZZ am Sonntag“ schlussfolgerte, Glasenberg sei „schlauer als Putin“, Bloomberg schrieb: „Glencore Dealmaking King Returns“, Wirtschaftsexperten bezeichneten den Deal als hochgradig ungewöhnlich. Auch deshalb, da Glencore einen solch expansiven Schritt so kurz nach Beendigung der eigenen Krise tätigte. Glasenberg selbst bleibt bescheiden: „Rosneft ist mit einer guten Möglichkeit auf uns zugekommen. Und wenn jemand mit einer guten Möglichkeit zu uns kommt, werden wir sie natürlich in Erwägung ziehen.“
Und es wird nicht Glasenbergs letzter Deal gewesen sein. Glencore hat nach seinem Schuldenabbau viel Cash übrig, das investiert werden will. Zumindest, wenn man den Analysten glauben darf. Die Bank of America schreibt, man erwarte keine großen, selbstständig durchgeführten Projekte (Greenfield) und auch keine „transformative“ M&A-Aktivität. Doch „Bolt-on deals“, also Ergänzungen zum bestehenden Geschäft, seien wahrscheinlich. Doch die Analysten lassen auch eine Hintertüre für Größeres offen: Man müsse im Hinterkopf behalten, das Glencore „ebenjenes Unternehmen, dass Rio Tinto [2014] wegen eines potenziellen Mergers ansprach“ ist. Die Bank of America gibt eine Kaufempfehlung für die Aktie ab, genau wie auch UBS, Citigroup, HSBC, Jefferies, Credit Suisse und Goldman Sachs. Die Berichte sind dabei äußerst positiv: Bank of America sagt, der „Swagger“ sei zu Glencore zurückgekehrt, die Credit Suisse schreibt von „Blue Skies Ahead“.
Und tatsächlich sind die Vorzeichen für die Zukunft positiv. Laut Angaben des Internationalen Währungsfonds dürfte China 2017 und 2018 um 6,6 bzw. 6,2 Prozent wachsen. Von Wachstumsschwäche also keine Spur. Doch auch abseits Chinas könnte in Glencores Aktivitäten viel Umsatzpotenzial schlummern. Denn wenn der Hype um elektrische Fahrzeuge hält, was er verspricht, könnte die Nachfrage nach gewissen Rohstoffen sprunghaft ansteigen. Denn Kupfer, Zink und vor allem auch das bei der Kupfergewinnung entstehende Beiprodukt Kobalt sind für die Herstellung von leistungsstarken Batterien, wie sie E-Autos benötigen, essenziell. Optimistische Schätzungen gehen etwa davon aus, dass bereits 2035 jeder verkaufte Neuwagen elektrisch sein könnte. Die Auswirkungen am Markt zeigen sich bereits jetzt: Der Preis von Kobalt stieg alleine im Kalenderjahr 2016 bereits um 70 Prozent. Und Chinas Ziel, bis 2020 fünf Millionen neue E-Fahrzeuge zu produzieren sowie neue, massenmarkttaugliche Tesla-Modelle könnten die Kupfer- und Kobaltnachfrage weiter antreiben. Glencore ist für mehr als ein Drittel der globalen Kobaltgewinnung verantwortlich. Zudem hat man signifikante latente Kapazitäten, die aktiviert werden können – rund 500 Kilotonnen Zink und 400 Kilotonnen Kupfer. Dafür ist vor allem die „Schatzkammer“ Demokratische Republik Kongo verantwortlich, ein Schlüsselland für den Schweizer Konzern. Rund 60 Prozent der bisher bekannten weltweiten Kobaltvorkommen finden sich in der zentralafrikanischen Republik, zudem verfügt die Region über Vorkommen an Kupfer, Nickel, Zink und Tantal (wird etwa in Herzschrittmachern verarbeitet).
Auch deshalb investiert der Rohstoffriese derzeit rund zwei Milliarden US-$ in die Modernisierung der kongolesischen Minen Katanga und Mopani. Doch die dortige Präsenz bringt Glencore auch immer wieder unter Beschuss. Denn das von Bürgerkriegen zerrüttete Land ist zwar reich an Bodenschätzen, leidet aber unter politischer Instabilität und lähmender Korruption. Die Gegend ist also ein heikles Pflaster für Geschäfte. Und dennoch ist Glencore seit Langem aktiv und erhöhte seine Anteile an den beiden wichtigsten Minen Mutanda und Katanga erst im Februar 2017. Kaufpreis waren 534 Millionen US-$, die an den israelischen Milliardär Dan Gertler gingen. Das war der NGO Global Witness aber ein Dorn im Auge, die dem Konzern vorwarf, über die in Glencores Mehrheitsbesitz befindliche Katanga Mining Company zwischen 2013 und 2016 rund 75 Millionen US-$ in Form von Boni und anderen Zahlungen an Gertlers Investmentunternehmen Africa Horizons überwiesen zu haben. Vertraglich vorgesehen wären die Zahlungen laut Global Witness jedoch an das in Staatsbesitz befindliche Minenunternehmen Gécamines gewesen. Das ist insofern problematisch, als Dan Gertler mehrfach vorgeworfen wurde, marktunübliche Deals im Kongo gemacht zu haben – basierend auf seiner persönlichen Nähe zum kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Auch Bestechungen an hohe Beamte sollen von Gertler gezahlt worden sein. Glencores Antwort auf die Anschuldigungen folgte prompt: Die Zahlungen wären zwar an Africa Horizons geflossen – jedoch mit Zustimmung und Kenntnis von Gécamines. Experten haben spekuliert, dass der Zeitpunkt des Deals verdächtig nahe an den Wahlen im November 2017 liegt, wo Kabilas Nachfolger gewählt wird. Dadurch könnte sich das politische Klima im Land nämlich ändern – und so auch Gertlers Stellung. Auch Vorwürfe der Steuervermeidung im Kongo (und in anderen Ländern) und bezüglich der Verletzung von Menschenrechten und Umweltverschmutzung musste sich der Konzern gefallen lassen. Glencore dementierte diese Anschuldigungen stets und verweist auf die über eine Milliarde US-$, die der Konzern in den letzten drei Jahren an Steuern und Lizenzgebühren zahlte. Zudem arbeite man mit einigen NGOs eng zusammen, um die lokalen Bedingungen zu verbessern – ein Beispiel sei die globale Hilfsorganisation CARE.
Rein wirtschaftlich gesehen sieht es jedoch gut aus beim Rohstoffriesen. Glasenberg sagte bei der Bilanzpräsentation 2016, das Unternehmen stehe „so gut da wie seit 30 Jahren nicht“. Hinsichtlich seiner persönlichen Zukunft sieht Glasenberg seine Zeit übrigens erst dann, wenn der Druck von unten – sprich von potenziellen Nachfolgern – zu groß werde. Sobald ihm neue Gesichter im Unternehmen also zu verstehen geben, dass es Zeit wird, abzudanken. Dass es für Glasenberg einfach wird, seinen Sessel zu räumen, darf bezweifelt werden. Doch vielleicht steckt irgendwo im Team ja bereits der nächste geborene Händler, der in Zukunft Glencores Milliarden-Deals einfädelt?
Text: Klaus Fiala | klaus.fiala@forbes.at
Illustration: Valentin Berger
Fotos: Beigestellt