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Julian Liniger verfolgt mit seinem Start-up Relai ein Ziel: das Investieren in Bitcoin so einfach wie möglich zu machen. Doch 2022 war ein hartes Jahr für die Kryptowährung und zeigte ihre größten Schwächen auf. Der „Under 30“-Listmaker ist dennoch vom digitalen Geld überzeugt – und Relais Nutzer scheinbar auch: Im November konnte das Schweizer Fintech-Unternehmen Umsatzrekorde verzeichnen.
Als der Preis für Bitcoin im Herbst und Winter 2017 zum ersten Mal in die Höhe schoss (vom 1. September bis 15. Dezember ging es um über 300 % bergauf, bevor er wieder etwas fiel), stellten alle Freunde und Bekannten Julian Liniger dieselbe Frage: Wie kann ich schnell und einfach in Bitcoin investieren?
Doch Liniger musste sie jedes Mal enttäuschen. „Ich bin damals oft mit Freunden den Prozess durchgegangen, der früher wirklich kompliziert war“, erinnert er sich. „Zuerst musste man ein Exchange-Konto eröffnen, sich dafür registrieren und verifizieren. Dann musste man warten, bis man verifiziert wurde. Erst, wenn das geschah, konnte man sein Geld hinschicken, musste aber wieder warten, bis das Geld ankam. Dann konnte man Bitcoin kaufen, musste diese aber noch auf eine private Wallet übertragen.“ Nach dieser Beschreibung sagten neun von zehn Bekannten Linigers, dass ihnen das
zu viel Aufwand sei – und Liniger wusste, was seine Mission ist: Das Handeln mit Bitcoin so einfach wie möglich zu machen.
Anfang 2019 fing er gemeinsam mit Adem Bilican an, eine App zu entwickeln und Investoren zu suchen; Mitte 2020 kam das Projekt auf den Markt. Seitdem wurde Relai 160.000-mal und in 40 Ländern heruntergeladen, und das Unternehmen konnte insgesamt ein Transaktionsvolumen von 90 Mio. CHF verzeichnen. Zum Umsatz möchte sich Liniger nicht äußern, er verweist aber darauf, dass dieser im November um 60 % gegenüber dem Vormonat gestiegen ist – ein Rekord für das Fintech-Unternehmen aus der Schweiz.
Linigers Bitcoin-Faszination hat ihren Ursprung im Jahr 2015, als ein Freund ihn zum ersten Mal auf das digitale Geld aufmerksam machte. Diese Faszination treibt ihn bis heute an – er ist von der Dezentralität der Kryptowährung überzeugt und bezeichnet Bitcoin als „die Spartechnologie des 21. Jahrhunderts“ und „das beste Store of Value Asset (Sparmethode, Anm.), das vom Menschen je erfunden wurde“. Mutige Worte, besonders im Hinblick auf den Bitcoin-Preisverlauf: Dieses Jahr fiel der Bitcoin-Preis gegen den Euro um 60 %. Über die vergangenen fünf Jahre konnte das digitale Geld zwar ein Plus von knapp 30 % verzeichnen, doch das verblasst, wenn man ein Auge auf Gold wirft (mit dem Bitcoin aufgrund ähnlicher finanzieller Eigenschaften oft verglichen wird), dessen Wert seit 2018 doppelt so stark gestiegen ist.
Dennoch betont Liniger, an den Vorteilen von Bitcoin festzuhalten: Anders als Gold ist es leicht transferierbar und der Preis wird langfristig wahrscheinlich steigen, im Gegensatz zum Wert von Fiat-Währungen, die über die Jahre zumindest nominell an Wert verloren haben – denn das Bitcoin-Angebot ist technisch langfristig fixiert (es kann insgesamt nur 21 Mio. Bitcoin geben) und die Nachfrage wird wahrscheinlich weiter steigen, da immer mehr Millennials in Kryptowährungen investieren wollen.
Das Investieren ist über die Zeit deutlich einfacher geworden; in den letzten Jahren sind neben Relai einige weitere Krypto-Exchanges entstanden. Was Relai dennoch von Coinbase, Bitpanda und Co unterscheidet? Liniger: „Wir sind die einzigen, die es ermöglichen, sich in einer Minute und 24/7, ohne Onboarding und ohne Verifikation, die ersten Bitcoins zu kaufen.“ Seit einem neuen Update können Nutzer außerdem nicht nur Banktransfers und Kreditkarten zum Handel verwenden, sondern auch Google Pay oder Apple Pay, was das Trading noch und schneller macht.
Das automatisierte Kaufen von Bitcoin macht es außerdem einfach, mit Relai Geld anzusparen (laut Liniger ja die wertvollste Funktion der Kryptowährung) – das ist Relais Vision: „Wir wollen es kinderleicht machen, sich mit regelmässigen kleinen Bitcoin-Käufen eine wertvolle Geldsumme anzusparen“.
Julian Liniger wurde in Kappelen geboren, einer kleinen Schweizer Gemeinde, die keine 1.500 Einwohner zählt („ein wirkliches Bauerndorf“, wie Liniger selbst sagt). Als er auf die Welt kam, war seine Mutter erst 21 Jahre alt und mitten im Pharmaziestudium. Nach der Grundschule wollte Liniger im Sportfachhandel arbeiten, seine Mutter drängte ihn jedoch dazu, zumindest ins Gymnasium zu gehen. Nach der Matura studierte der junge Schweizer Psychologie im Bachelor und Betriebswirtschaftslehre im Master und machte auch ein Auslandssemester im Silicon Valley, wo seine Begeisterung fürs Unternehmertum aufblühte – was schließlich in der Gründung von Relai mündete.
Liniger ist neben seinem Start-up aber noch in zwei weiteren Projekten involviert: In das TEDx-Event in Biel, das nächstes Jahr zum ersten Mal stattfinden soll; und er ist Co-Founder von CCFX (kurz für Certified Crypto Finance Expert). Dieser Kurs entstand aus Linigers Arbeit in der Unternehmensberatung, wo er während und auch nach seinem Masterstudium tätig war. Heute ist CCFX das führende Zertifikat in Sachen Krypto und Blockchain in der Schweiz.
Den Großteil seiner Aufmerksamkeit schenkt der junge Unternehmer jedoch seinem Krypto-Start-up. Dieses soll in den nächsten Jahren von Europa in die restliche Welt expandieren. Zudem soll neben dem B2C-Modell auch ein B2B-Geschäft entstehen, mit dem kleine und mittelständische Unternehmen Kryptowährungen kaufen können. „Unsere Vision bleibt aber, unseren Nutzern immer leichteren Zugang zu Bitcoin zu bieten“, betont der Unternehmer.
Julian Liniger ist also „along for the ride“ der Krypto-Welt. Bitcoins jüngste Geschichte und der spektakuläre Kollaps von FTX, der großen amerikanischen Krypto-Exchange, verspricht, dass dieser Ritt wohl wild wird – sowohl für Investoren als auch für die Plattformen, auf denen sie handeln.
Julian Liniger wurde 1992 in Kappelen geboren, einer kleinen Schweizer Gemeinde. Er studierte Psychologie und Betriebswirtschaftslehre in Bern. Anfang 2019 fing er an, seine App Relai zu entwickeln, mit der er das Investieren in Bitcoin vereinfachen will. Heute hat Relai 20 Mitarbeiter und über 40.000 aktive Kunden in 40 Ländern.
Text: Erik Fleischmann
Foto: Denisa Babics