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Sowohl Rolls-Royce als auch Bentley sind dank eines Redesign im Aufwind,
Die Idee entbehrt nicht eines gewissen Charmes: Ein neuer Eigentümer belebt einen bekannten britischen Luxusautohersteller wieder, indem mit modern-klassischen Fahrzeugen eine ganz neue Kundenschicht erschlossen wird. Doch wenn dieses Rezept bei zwei völlig unterschiedlichen Autoherstellern und dann auch noch zeitgleich passiert, wird es doch ein wenig unheimlich. So geschehen bei Rolls-Royce Motor Cars und Bentley Motors, zwei illustren Automobilmarken, die seit Jahrzehnten miteinander verbunden sind und nun unabhängig voneinander bemerkenswerte Comebacks erleben.
Wir erinnern uns an eine Zeit in den 1960er-Jahren – während der fast 70-jährigen Periode, in der Bentley zu Rolls-Royce gehörte –, in der die Marken praktisch ident waren. Die einzige Ausnahme waren die unverwechselbaren Verzierungen auf der Motorhaube. Bis heute haben Rolls-Royce, nun in Besitz von BMW, und Bentley, ein Unternehmen der Volkswagen AG, es aber auf verschiedenen Wegen zum Erfolg gebracht. Und das, obwohl die Trennung im Jahre 1998 etwas chaotisch vonstattenging, einschließlich eines Streits darüber, wer die Marke Rolls-Royce denn kontrollieren solle. Schwamm drüber – heute geht es beiden Unternehmen viel besser. Bentley knackte 2017 mit 11.089 verkauften Fahrzeugen den eigenen Rekord – angetrieben vom Erfolg seines ersten SUVs, des Bentayga. Der im Jahr 2016 eingeführte und 229.000 US-$ teure Wagen wurde schnell zu Bentleys Bestseller. Schrieb das Unternehmen 2010 noch rote Zahlen, stand 2016 ein operativer Gewinn von 135 Millionen US-$ bei einem Umsatz von 2,4 Milliarden US-$ zu Buche. Rolls-Royce hatte ebenfalls einen Lauf: Im Jahr 2014 verzeichnete das Unternehmen sein bestes Verkaufsjahr in seiner über 100-jährigen Geschichte – 4.063 Fahrzeuge waren es – und lockte mit mutigen Black-Badge-Versionen von Modellen wie Ghost, Wraith und Dawn neue, jüngere Käufer an. 2017 sank der Absatz dann auf 3.362 – besonders, weil Rolls-Royce die Produktion seines Flaggschiffs, des Phantom, vorübergehend einstellte.
Um die Synchronizität noch mehr zu befeuern, bringen beide Marken neu gestaltete Versionen jener Autos auf den Markt, die vor 15 Jahren ihre Renaissance einleiteten. Für Rolls-Royce ist das 2018 die stattliche Limousine Phantom VIII – quasi der Inbegriff von Luxus. Bentley verhilft wiederum der neu gestaltete Continental GT, ein raffinierter Grand Tourer, der eine Kombination aus Leistung und Luxus bietet, zu neuen Höhenflügen. Neue Rolls-Royce-Phantom-Modelle sind nicht üblich: Jenes aus 2018 ist erst das achte seit der Einführung im Jahr 1925 (!). Unterschiedlichste Männer, etwa der tanzende Fred Astaire oder der singende John Lennon, besaßen einen Phantom. Wie bei allen Phantoms wurde auch das neueste Modell in gewisser Weise für die Passagiere konzipiert, die hinten sitzen. Denn wenn sich die hinteren Wagentüren sanft schließen, befinden sich die Mitfahrer in einem plüschigen, stillen Innenraum, der von einem Sternenhimmel überzogen ist.
Dass das Durchschnittsalter der Rolls-Royce-Käufer in Richtung 40 Jahre sinkt (dank jüngerer Kunden in Märkten wie China), wurde das neue Modell so entwickelt, dass sowohl Selbstfahren als auch Gefahrenwerden sehr angenehm sein kann. So schwebt der Phantom auf einer elektrisch kontrollierten Radaufhängung (eine bewegliche Verbindung des Fahrzeugkörpers und der Räder), genannt „Magic Carpet Ride“. Und ein neuer Zwölfzylindermotor mit doppelter Turboladung beschleunigt von null auf 100 km/h in 5,3 Sekunden. Der neue Continental GT von Bentley, der wahrscheinlich ab rund 240.000 US-$ zu haben sein wird, wurde indes für Fahrer entwickelt, die Leistung lieben. Gleichzeitig werden die Passagiere auch mit Luxus umgeben. Sein Twin-Turbo-Zwölfzylindermotor treibt das Auto zu Höchstgeschwindigkeiten von 333 km/h und bringt es von null auf 100 km/h in 3,7 Sekunden.
Doch hier kommen wir zur sprichwörtlichen Weggabelung: Während Bentley das eigene Wachstum beschleunigen will, indem es die Möglichkeiten von Volkswagen in der Produktion einsetzt – einschließlich neuer elektrischer Antriebsstränge – teilen BMW und Rolls-Royce wenig. Stattdessen hat Rolls-Royce eine eigene, skalierbare Plattform entwickelt, die den Phantom und zukünftige Modelle in den Vordergrund rückt, einschließlich des Cullinan, des ersten allradbetriebenen Nutzfahrzeugs der Engländer, das noch dieses Jahr erhältlich sein soll. Bentleys Ziel ist es, den Jahresabsatz auf 20.000 Fahrzeuge zu steigern. Rolls-Royce hingegen ist bestrebt, mit weniger als 6.000 Fahrzeugen exklusiv zu bleiben. Zum Vergleich: Maserati verkaufte vergangenes Jahr 46.186 Fahrzeuge, Lamborghini 3.104.
Bei Preisen, die sich häufig auf über 400.000 US-$ belaufen, kann Rolls-Royce es sich getrost leisten, eine gemeinsame Plattformen mit Massenmarkt-Marken wie BMW dankend abzulehnen. Die größte Herausforderung ist vielmehr, das eigene staubige Image loszuwerden, das unter anderem von den berüchtigten Werbespots der Senfmarke Grey Poupon aus den 1980er-Jahren herrührt.
Bentley nimmt eine einzigartige Mittelposition ein, zwischen den teuersten Mercedes-Benz-Autos und den günstigsten Rolls-Royce-Modellen. Bentley habe gute Arbeit geleistet, einen gewissen Sex-Appeal zu schaffen, sagt Rebecca Lindland, Senior Analyst bei Cox Automotive. „Doch die Realität ist, dass diese Marken Geld verdienen müssen.“ Bei einem durchschnittlichen Bentley-Preis von rund 250.000 US-$ könnte eigentlich erwartet werden, dass das Unternehmen Gewinne macht. Doch die operativen Margen sanken bis September 2017 auf 2,5 Prozent und damit deutlich unter jene der „Normalverbraucher“-Marken wie General Motors und Ford. Eine Plattform der Konzernschwester Porsche in leicht angepasster Form zu verwenden, könne Bentley also helfen, die Kosten niedrig zu halten und die Margen zu steigern, solange es dabei nicht die eigene DNA opfere, wie LMC-Automotive-Analyst Jeff Schuster zu bedenken gibt.
Realität ist jedenfalls, dass beide Autohersteller tragfähige Geschäftsmodelle gefunden haben. „Wenn ich die Autos fahre, sind sie unterschiedlich“, sagt Wolfgang Dürheimer, kürzlich pensionierter CEO von Bentley – „Rolls-Royce ist der ultimative Luxus. Wir bieten Luxus und Leistung.“ Dem widerspricht Rolls-Royce nicht: „Wir bewegen uns in einem völlig anderen Preissegment als Bentley“, sagt CEO Torsten Müller-Ötvös. In dieser Gesellschaftsschicht, in der die Menschen im Schnitt sieben Autos besitzen, geht es natürlich nicht mehr um den Preis. „Unsere Kunden haben so viele Garagen wie wir Kleiderschränke“, sagt Müller-Ötvös. „Da gibt es für jeden Anlass das richtige Auto“
Text: Johann Muller
Übersetzung: Niklas Hintermayer
Dieser Artikel ist in unserer April-Ausgabe 2018 „Regulierung“ erschienen.