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Wir befinden uns im Jahr 2019 n. Chr. In ganz Europa fällt der Strom aus. In ganz Europa? Nein! Peter Ramharter und sein kleines Team in Wiener Neustadt hören nicht auf, energiesichernde Lösungen zu entwickeln.
„Tag der Rache, Tag der Sünden“, donnert der Mozart-Chor mit Bernsteinscher Wucht vom Himmel herunter, die Straßen sind leer gefegt, die Fenster der Supermärkte eingeschlagen und die Menschen warten ungeduldig in Schlangen an den Essensausgaben – der Blackout regiert. Bis heute ist dieses Szenario vornehmlich den Literaten vorbehalten, die sich in ihren Dystopien ausmalen, was sich sonst niemand so richtig vorstellen kann – oder vorstellen will. Dabei gab es in der jüngsten Vergangenheit einige Vorfälle, in denen Stromnetze weiträumig zusammenbrachen.
In Venezuela beispielsweise kam es am 7. März dieses Jahres zu einem Blackout, der mehrere Tage andauerte. Auch in den USA waren zuletzt im Jahr 2003 insgesamt 50 Millionen Menschen ohne Strom, in Europa waren 2006 rund 10 Millionen Menschen davon betroffen. Diese Ausfälle konnten jedoch meistens so schnell behoben werden, dass man sie nicht als Blackout, sondern als Stromausfall definierte. Häufig lässt sich bei derartigen Vorfällen die Ursache auf menschliches Versagen zurückführen. Im Fall des Stromausfalls in Europa 2006 stellte zum Beispiel der Netzbetreiber E.ON eine Höchstspannungsleitung über der Ems (fließt zur Nordsee im Nordwesten Deutschlands, Anm.) aus, um die Durchfahrt des Kreuzfahrtschiffes „Norwegian Pearl“ zu ermöglichen, woraufhin es zu einer Kettenreaktion kam und weitere Versorgungsleitungen ausfielen. Aber auch Naturkatastrophen, Netzüberlastungen oder Hackerangriffe könnten ein Grund für Blackouts sein.
Mit Wicon bieten wir eine Lösung an, die sich auf jeden Fall rentiert – auch wenn kein Blackout kommt.
„Wir sind darauf gar nicht vorbereitet“, sagt Peter Ramharter, Geschäftsführer von Wicon Engineering, beim Interview in seinem Büro in Wiener Neustadt, „denn in unserer Pseudosicherheit haben wir viele Vorsorgen aufgegeben.“ Der promovierte Verfahrenstechniker arbeitet bereits seit Jahrzehnten an Projekten zur Energieoptimierung. Ramharter hat beispielsweise als Großprojektleiter bei einem Kunststoffhersteller die Abgase am Standort Schwechat um mehr als 90 Prozent gesenkt und mit Wicon seit 2002 über 200 Projekte umgesetzt – wie etwa die Windkraftanlage in Lichtenegg in der Buckligen Welt. Neben Windkraftanlagen bietet Wicon vor allem Photovoltaikanlagen an, in Summe hat das Unternehmen mittlerweile 110 Photovoltaikanlagen in Österreich mit einer Gesamtleistung von 3.904 Kilowattstunden geplant und selbst oder mit Fremdfirmen errichtet. So entsteht an den entsprechenden Standorten eine Energieleistung, die autark vom Stromnetz abrufbar ist und somit auch im Falle eines Blackouts zur Verfügung steht. „Wenn ich höre, dass das Bundesheer in einer Kaserne in Wiener Neustadt für die ganzen Kasernen in Niederösterreich kocht, dann frage ich mich, ob das funktionieren kann“, so Ramharter.
Doch Ramharter möchte keine Drohszenarien entwickeln. „Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob der Blackout, also ein weiträumiger und mehrtägiger Stromausfall, kommen wird oder nicht. Deswegen haben wir gesagt: Mit Wicon bieten wir eine Lösung an, die sich auf jeden Fall rentiert, auch wenn kein Blackout kommt.“ Das zehnköpfige Team setzt dabei vor allem auf erneuerbare Energien, die beispielsweise aus Photovoltaikanlagen gewonnen werden. Bei Bedarf wird die Hardware zur Verfügung gestellt und auch selber installiert. Wie das funktionieren kann, zeigt sich am Gebäude des Österreichischen Roten Kreuzes in Wiener Neustadt, in der auch Wicon seine Zentrale hat. Auf dem Dach wurde eine 90-Kilowatt-Anlage verbaut, die jährlich etwa 100.000 Kilowattstunden an Energieleistung produziert. Ein Teil davon fließt vom Dach über ein Verbindungskabel hinunter direkt in die E-Fahrzeuge des Roten Kreuzes, der andere Teil wird im Haus verbraucht und kann auch im Falle eines Blackouts genutzt werden. Für private Haushalte ließe sich das gleiche Prinzip anwenden. „Wir denken immer ganzheitlich“, so Ramharter, „warum also eine Batterie ausschließlich für den Fall eines Stromausfalls entwickeln? Machen wir doch eine, die man jeden Tag nutzen kann.“
Peter Ramharter
... ist studierter Betriebswissenschafter und promovierter Verfahrenstechniker. Er leitete diverse Industrieprojekte zu den Themen Energieeffizienz, Produktionssteigerung und Anlagenerweiterungen bei Borealis, OMV Gas und der OMV AG. 2002 gründete er Wicon Engineering.
Die Kosten für ein solches System liegen zwar bei 20.000 € aufwärts, trotzdem würde es sich lohnen, rechnet Ramharter vor. Der Jahresertrag an Energie pro auf dem Dach installierten Kilowatt liegt in Wiener Neustadt bei etwa 100.000 Kilowattstunden (eine Kilowattstunde ist die Energiemenge, die bei einer Leistung von einem Kilowatt innerhalb von einer Stunde umgesetzt wird, Anm.). Beim Energieanbieter kostet die Kilowattstunde etwa 20 Cent, das ergibt Einsparungen von 20.000 € im Jahr. Noch wertvoller wird die Kilowattstunde, wenn man damit das elektrisch betriebene Auto betankt, dann liegt der Preis sogar bei rund 50 Cent. Bei einer Haltbarkeitszeit der Photovoltaikanlagen von 40 Jahren kann da schon einiges zusammenkommen. „Niemand weiß, wie mächtig so eine Kilowattstunde eigentlich ist: Ein 80 Kilogramm schwerer Bergsteiger mit 20 Kilogramm an Gepäck braucht um von 5.000 auf 8.600 Höhenmeter zu kommen, eine Kilowattstunde Energie“, so Ramharter.
Außerdem würden bei dem Thema Energieeffizienz nicht nur ökonomische Faktoren eine Rolle spielen. „Wir sehen die veränderten Klimabedingungen schon in der Energieproduktion der Windräder, die jahrelang stabil war. Jetzt können wir in der Jahresbilanz auf einmal richtige Ausschläge erkennen. Wenn man sieht, wie sich die Dinge so verschieben, muss man sich schon die Frage stellen: ,Was richten wir da eigentlich derzeit an?‘“, so Ramharter.
Eigenen Energiehaushalt ändern
Dafür, dass die Menschen nicht bereit sind, sich in ihrem Komfort einzuschränken, bringt Ramharter noch Verständnis auf. Geht es aber um die landläufigen Ausflüchte, warum man am eigenen Energiehaushalt nichts ändern könne, ist das weniger der Fall. „Ich brauche ja nicht im Jutesack zu Hause sitzen und nicht heizen, ich kann und will ganz normal leben – und dabei schauen, dass ich meine Energie selber generiere.“ Er nennt das Beispiel Leobersdorf: die Marktgemeinde hat bereits über zwei Mega-Watt an Photovoltaik installiert – und bei Nutzung aller Dächer könnte der gesamte Strombedarf von Leobersdorf mehr als zwei Mal hergestellt werden. „Wenn wir das alle machen, benötigen wir sukzessive keine fossilen oder nuklearen Kraftwerke mehr“, so Ramharter.
Er selber fährt einen Tesla, den er mit Strom aus der hauseigenen Photovoltaikanlage lädt. „Bei uns zu Hause gilt: Ich will so leben, wie ich leben will. Dabei haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass wir alles, was wir an Energiebedarf haben, selber erzeugen. So viel zu konsumieren, dass jemand anders auf der Welt leiden muss – so funktioniert das einfach nicht.“
Dieser Entwicklung trägt auch die Europäische Kommission Rechnung – zuletzt im Jahr 2014, als sie ein Paket klima- und energiepolitischer Ziele für 2030 vorlegte. Der Zielwert des Anteils an erneuerbaren Energien an der Energieproduktion in der EU ist darin mit 27 Prozent bemessen – um „private Investitionen anzuregen“, so die Kommission. Viele Länder gehen mit gutem Beispiel voran. In Deutschland ist der Anteil erneuerbaren Energien im Zeitraum von 2000 bis 2017 laut dem Deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie um 30 Prozent gewachsen, bis zum Jahr 2025 sollen bis 45 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Ende 2017 waren mehr als 1,6 Millionen Photovoltaikanlagen gebaut. In Österreich leisteten erneuerbare Energien bereits im Jahr 2016 einen Anteil von 33,5 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch – traditionell hat hier die Wasserkraft einen hohen Einfluss, über 700 Laufkraftwerke und rund 3.100 Kleinwasserkraftwerke sind in Betrieb.
Wicon hat 2018 600.000 € erwirtschaftet – keine geringe Summe für ein Team, das nur aus drei Vollzeitangestellten besteht. In Phasen, in denen mehr zu tun ist, helfen die Mitarbeiter der beiden Tochterunternehmen (WTG Water Treatment und Aqua Technologies) mit – und vice versa. Ein Mitarbeiter studiere beispielsweise technische Physik, ein anderer habe einen Master in erneuerbare Energien. „So entwickeln wir uns stetig weiter“, sagt Ramharter.
Hart umkämpfter Markt
Der Markt sei zwar ziemlich umkämpft, gegenüber den Mitbewerbern habe das Unternehmen aber den Vorteil, Produkte unabhängig auswählen und passend zu den Kundenwünschen empfehlen zu können. „Außerdem haben die Mitarbeiter bei uns viel mehr Eigenverantwortung. Ich rufe die Kollegen immer auf, alles zu hinterfragen. Nur To-do-Listen abarbeiten, das gibt es bei uns nicht.“
Für die Zukunft wünscht sich Ramharter, dass Wicon und die beiden Tochterunternehmen weiterhin beständig wachsen. Ein neues Projekt, so viel darf an dieser Stelle schon verraten werden, wird Ramharter und seine Kollegen nach Afrika führen, um dort Entwicklungsprojekte rund um erneuerbare Energien aufzubauen – auch hier mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit, sodass lokale Arbeitsplätze geschaffen werden. Wachsen soll das Unternehmen schließlich nicht um jeden Preis– Sinn muss es machen. „Wir setzen hier nur Dinge um, die uns selbst interessieren. Und bevor wir etwas verkaufen, wird es erstmal zu Hause getestet. Der strengste Prüfer ist meine Frau. Wenn einmal die Heizung ausfallen würde“, grinst Ramharter, „dann würde schnell der Haussegen schief hängen.“