DAS TOR ZUR WELT

Die Kunstgalerie Addis Fine Art in Addis Abeba half maßgeblich, äthiopische Künstler weltweit bekannt zu machen. Nun wollen die beiden Gründer weiter wachsen.

Zeitgenössische äthiopische Kunst auf der ganzen Welt bekannt zu machen – ihr Ziel war ­Rakeb Sile und Mesai ­Haileleul von Beginn an klar. Doch die Kunstliebhaber mussten einige Zeit warten, bevor ihre Vision tatsächlich Realität wurde. Haileleul war bereits seit Jahrzehnten mit der Kunst verbunden, 2005 hatte er in Los ­Angeles die Kunstgalerie Addis Art gegründet; Sile war noch als Wirtschaftsberaterin in London tätig, als die beiden sich 2012 zusammentaten, um ihr Projekt in die Tat umzusetzen. Sie starteten als Berater und Kuratoren für eine Kunstgalerie in ­London, bevor sie im Januar 2016 eine eigene Galerie, Addis Fine Art, gründeten. ­Haileleul war zu diesem Zweck nach fast 30 Jahren in den USA nach Addis Abeba zurückgekehrt. Heute ist die Galerie die modernste Äthiopiens – ihre Ausstellungen und Events sind oftmals ausverkauft, einige Künstler wurden weit über die Landesgrenzen des ostafrikanischen Landes hinweg bekannt.

„Durch unsere Arbeit in Addis Abeba helfen wir den vertretenen Künstlern dabei, in der globalen Kunstwelt zu verhandeln und sie mit Messen, Institutionen und Museen zu verbinden. Bisher gab es keine solche Art der Repräsentation von einer lokalen Galerie“, sagt Sile. Die meisten Kunstwerke, vorrangig Gemälde, verkaufen die Äthiopier nach Europa, gefolgt von den USA und dem Nahen Osten. Die Verkäufe nach Fernost fallen noch gering aus, sollen in den kommenden zwei Jahren aber zunehmen.

Bild: Rakeb Sile, Mesai Haileleul, Addis Fine Arts

Wir suchen nach Kreativität, Authentizität – und einer guten Geschichte hinter dem Künstler.

Doch so gut lief es nicht immer. „Wir verfügten zu Beginn über wenig Cashflow, der Umsatz war nicht so gut und die einheimischen Sammler verstanden den Umfang unserer Arbeit weitgehend nicht,“ sagt Sile. Denn Addis Fine Art begreift sich nicht als reine Kunstgalerie – Sile und ­Haileleul sehen sich vielmehr als Partner der Künstler, die deren Karrieren umfassend fördern. „Wir haben in Äthiopien einen neuen Standard etabliert. Nun merken wir, dass uns die Künstler und Kunden vertrauen“, sagt Haileleul. Denn die beiden Kunstliebhaber investierten viel, um diesen Ansatz klarer zu kommunizieren. 2018 erfolgte der Durchbruch: Drei Ausstellungen waren ausverkauft, darunter die Einzelausstellung „Pillars Of Life: The Power And Grace Of Market Life“ von Tadesse Mesfin, einem bekannten Maler und Professor an der Addis Ababa School of Fine Art. „Jedes Mal, wenn wir ihn zeigen, flippen die Menschen völlig aus. Er ist wirklich ein Superstar“, sagt Sile.

Die Kunstwerke reichen von Gemälden bis zu Fotografien mitsamt Videokunst; Perfor­mancekunst und Skulpturen sollen ebenfalls bald gezeigt werden. Die Preise bei Gemälden bewe­gen sich je nach Arbeit zwischen 3.500 und 28.000 US-$. Die Jahresumsätze verraten Sile und Haileleul jedoch nicht. „Fahren wir einen Mercedes in Monaco? Nein!“, lacht Haileleul. Es gibt noch viel zu tun, um das volle Potenzial im Markt und jenes der Galerie auszuschöpfen. Aber für eine junge Galerie geht es uns gut.“ Am meisten Freude bereitet dem kunstaffinen Duo sowieso die Arbeit mit äthiopischen Künstlern.

Doch worauf achten sie bei neuen Kunstschaffenden? „Es gibt keine Formel, doch wir suchen nach Kreativität, Authentizität und einer guten Geschichte, warum sie die Kunst überhaupt produzieren“, sagt Sile. In Zukunft könnte sich der regionale Fokus erweitern: Statt nur Einheimische und Äthiopier im Ausland (aus der ­Diaspora) vorzustellen, bieten auch Künstler aus Eritrea, Dschibuti, Somalia und dem Sudan kulturelle Anknüpfungspunkte – zudem ist Addis Fine Art regelmäßig auf Messen in Lagos (­Nigeria) oder Kapstadt (Südafrika) vertreten.

Das passt auch zur Strategie der Galerie, die Addis Fine Art von Addis Abeba in die Welt führen soll. Im Oktober 2016 eröffnete die Galerie den Addis Fine Art ­Project Space in London, um näher „am Kunden“ – Großbritannien ist der stärkste Absatzmarkt der Galerie – und den dort lebenden äthiopischen Künstlern zu sein. Sile pendelt seither zwischen Addis ­Abeba und der britischen Hauptstadt. Im Jahr 2020 zieht ­Addis Fine Art dann in den Cromwell Place in ­Kensington ein, einen neuartigen Ausstellungs- und Arbeitsbereich für Galerien – als eine von wenigen afrikanischen Galerien. „Das wird einen großen Schub für unser internationales Programm darstellen. Eine kleine Galerie aus Addis ­Abeba wird Seite an Seite neben internationalen Galerien und großen Akteuren in Europa spielen“, sagt ­Haileleul.

Dieser Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2019 „KI“ erschienen.

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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