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Im Produktdesign lodert das Feuer dort, wo Funktionalität auf Ästhetik trifft. Dem Schweizer Künstler Andreas Reichlin ist das mit der Entwicklung des Feuerrings – welcher neben der skulpturalen Form auch als funktionelles Grillgerät genutzt werden kann – gelungen. Durch das zeitlose Design und die hochwertige Verarbeitung ist der Feuerring für Kunden eine langfristige Investition, die Generationen überdauert.
Wenn Andreas Reichlin über die viele Jahre andauernde Entstehungsgeschichte seines Lebenswerks spricht, dann sprüht er förmlich vor Leidenschaft. Im Jahr 2004 begann der in Mühlheim und an der Académie Charpentier de la Grande Chaumière in Paris ausgebildete Bildhauer mit den ersten Studien zum Feuerring; fünf Jahre später stellte Reichlin ihn der Öffentlichkeit vor. Heute steht der Feuerring in unterschiedlichen Varianten tausendfach in Gärten und auf Terrassen rund um den Globus.
Insgesamt existieren 19 verschiedene Formen. Der kleinste Feuerring hat einen Durchmesser von einem Meter, wiegt 100 Kilogramm und kostet 4.500 CHF, der größte hat einen Durchmesser von 1,96 Meter, 800 Kilogramm Gewicht und kostet 30.000 CHF. Selbst Größen bis zu 2,6 Meter und 3,3 Tonnen Gewicht können nach Maß gefertigt werden – und wurden es auch schon. Interessierte haben die Möglichkeit, im Atelier am Zugersee alle Modelle aus nächster Nähe zu testen und zu betrachten.
Vergleicht man die heutigen Objekte mit den ersten Experimenten, fallen die Unterschiede sofort ins Auge: Zunächst experimentierte Reichlin mit eckigen Formen, die er aus Stahl entwarf – aber diese stellten ihn weder formal noch in der Funktion zufrieden.
Doch der Künstler hatte mit Magenproblemen zu kämpfen, die beim herkömmlichen Grillen durch den aufsteigenden Rauch verursacht wurden, wenn Fett oder Marinade in die Glut tropfte. Die Lösung: Durch die kreisförmige Anordnung des Feuerrings bleibt das Feuer in der Mitte, während das Grillgut auf dem äußeren Ring liegt. Der Vorteil dabei ist das indirekte Grillen: Der Rauch und die Flammen kommen nicht mehr in direkten Kontakt mit dem Essen, wodurch schädliche Stoffe vermieden werden. Die schonende Zubereitung des Grillguts habe Reichlin sehr geholfen: „Ich habe die Lösung nur für mich gesucht, um meine Lebensmittel gesund zubereiten zu können“, erklärt er.
„Der Feuerring ist so reduziert, dass er keiner Epoche unterliegt, sondern auch in tausend Jahren noch funktioniert und zeitlos ist.“
Andreas Reichlin
Im Lauf der Zeit entwickelte sich daraus das markante Design des Feuerrings: eine Schale in der Mitte, umgeben von einem breiten Stahlring, auf dem das Grillgut zubereitet wird. Doch der erste Prototyp, den Andreas Reichlin im Jahr 2005 entwarf, verformte sich nach dem ersten Einsatz aufgrund der Hitzeentwicklung des Stahls: „Nach dem ersten Feuer war mein erster Feuerring deformiert.“
Es dauerte vier Jahre, bis er eine Lösung fand, die eine Verformung des Rings verhinderte: eine Konstruktion, bei der die innere Kante des Rings tiefer liegt als die äußere. Diese besondere Form verhindert Deformationen. „Der Stahl dehnt sich aus, wird größer und es drückt den Ring noch mehr nach unten. Somit werden alle Spannungen vernichtet“, erklärt Reichlin. Das Ergebnis ist eine langlebige und robuste Feuerschale. „Du kannst alles falsch machen, du kriegst ihn nicht kaputt“, sagt er stolz.
Der Feuerring wurde schließlich europaweit patentiert – ein technischer Schutz. Trotz des Patentschutzes gab und gibt es immer wieder Versuche, das Design zu kopieren, was zu weiteren rechtlichen Handlungen führte. Doch Reichlin ging noch einen Schritt weiter und sicherte sich auch das Urheberrecht für den Feuerring – ein äußerst seltener Schutz in der Schweiz. „Du musst beweisen, dass du der Erste auf der Welt bist, der das gemacht hat“, erläutert er. Der Feuerring reiht sich nun neben ikonischen Entwürfen wie Le Corbusiers LC2-Sessel und Charles Eames’ Lounge Chair ein. Im Gegensatz zum Patent, das nach 20 Jahren ausläuft, bleibt das Urheberrecht bis ans Lebensende bestehen – und noch 70 Jahre darüber hinaus.
Die Beständigkeit der Feuerringe wird den Zeitraum des Urheberschutzes bei Weitem überschreiten. Reichlin, der sich das Arbeiten mit Stahl autodidaktisch beibrachte, gilt als großer Meister seines Fachs. Er verschweißt und verschleift Stahl so präzise, dass Schweißnähte nicht mehr sichtbar sind. „Der Feuerring wird durch den Stahl und die präzise Verschweißung mit der Zeit immer schöner und hochwertiger. Er ist so langlebig, dass er über Generationen weitergegeben wird“, erklärt Reichlin. „Der Feuerring ist so reduziert, dass er keiner Epoche unterliegt, sondern auch in tausend Jahren noch funktioniert und zeitlos ist.“
Auch internationale Kritiker und Jurys blieben von dem beeindruckenden Objekt nicht unberührt: 2016 wurde der Feuerring Tulip mit dem renommierten „Red Dot Award: Best of the Best“ für wegweisendes Design ausgezeichnet. Im Jahr 2017 folgte die Auszeichnung als „Winner“ beim German Design Award. Das prämierte Modell ist im Red Dot Design Museum in der Zeche Zollverein, Essen, ausgestellt.
Aber wie sieht es mit der Funktionalität aus? Das Besondere am Feuerring ist, dass man nicht auf die perfekte Glut warten muss. Stattdessen grilliert man direkt neben einem lodernden Feuer – und das Grillgut bekommt keinen verbrannten Beigeschmack. „Der Feuerring erreicht verschiedene Temperaturzonen“, erklärt Reichlin. Im Inneren des Rings herrschen 300 Grad, während die äußeren Bereiche auf 150 Grad aufheizen. Selbst Niedergaren ist möglich: Legt man ein dünnes Holzbrett auf den Ring, sinkt die Temperatur für das Grillgut auf etwa 80 Grad. Reichlin betont zudem, dass man sogar Spätzle, Couscous oder Nudeln direkt auf dem Ring zubereiten kann – ganz ohne Topf oder Pfanne.
Doch eines ist Reichlin wichtig: Für ihn steht der ästhetische und kulturelle Anspruch im Vordergrund. „Als Bildhauer und Künstler war mir eben extrem wichtig, dass ich keinen Grill baue, sondern dass ich ein Objekt im Garten habe, eine Skulptur“, erklärt er mit Nachdruck. Dieser Ansatz unterscheidet den Feuerring grundlegend von herkömmlichen Grills, die oft nur als funktionale Geräte betrachtet werden, die nach der Nutzung schnell wieder verstaut werden. „Einen Grill stellst du weg, deswegen hat er auch Rollen. Du holst ihn aus dem Schuppen, wenn du ihn brauchst. Aber der Feuerring steht da als Skulptur, wenn du ihn eben nicht nutzt“, betont der Künstler.
Die Bauweise des Feuerrings hat einen entscheidenden Vorteil – sie schafft einen Ort der Geselligkeit und des gemeinsamen Kochens. „Die Geselligkeit ist mir ganz wichtig. Beim Feuerring sitzt du ringsum, genießt die Wärme und zelebrierst das Essen miteinander“, so Reichlin. Jeder könne aktiv an der Zubereitung teilnehmen: „Einer macht Polenta direkt auf dem Ring, der andere bereitet Gemüse, Fisch oder Fleisch zu.“ Das gemeinsame Kochen soll so zu einem Ritual, das Feuer, Kunst und Gemeinschaft verbindet, werden. Das ist ein überzeugendes Argument – auch für Menschen, denen das Grillen bislang nicht so zusagte. Reichlin: „Wenn du einen Feuerring siehst, dann vergisst du ihn nicht mehr.“
Der Feuerring zieht eine vielfältige Zielgruppe an, die weit über den typischen Grillkäufer hinausgeht. Reichlin beschreibt seine Kunden als kunstsinnige Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik, die oft keinen herkömmlichen Grill suchen. „Es sind Ästheten, es sind kunstaffine Leute, die wir mit unserem Feuerring ansprechen“, erklärt er. Dabei schätzt er vor allem, dass seine Käufer den Feuerring als etwas Besonderes wahrnehmen und nicht bloß ein funktionales Gerät suchen: „Ich werde nicht mit Fragen konfrontiert, ob sie einen Feuerring mit vier Rädern haben können, um ihn auf den Balkon zu schieben“, so Reichlin.
Die soziale und finanzielle Bandbreite seiner Käufer ist groß. Reichlin erzählt von einer Bäuerin, die jahrelang Eiergeld gespart habe, um sich einen Feuerring zu kaufen, was verdeutlicht, dass es nicht nur die Wohlhabenden sind, die sich dieses besondere Stück leisten. Reichlin: „Bei uns ist es nicht einfach der Superreiche, der sich ein Original kauft, sondern es sind wirklich auch Leute, die sich das zusammensparen, weil sie den Mehrwert verstehen.“ Der Feuerring spricht also nicht nur designorientierte Kunden an, sondern auch Menschen, die mit dem Objekt eine eigene Geschichte drumherum schreiben möchten – Geschichten, die sich im wahrsten Sinne des Wortes „einbrennen“.
Der geografische Schwerpunkt liegt derzeit noch auf der DACH-Region, wobei Deutschland und die Schweiz besonders starke Märkte sind. Obwohl der Feuerring in den deutschsprachigen Ländern bereits gut etabliert ist, sieht Reichlin weiterhin Möglichkeiten für eine internationale Expansion: „Unsere Feuerringe sind nun von Australien bis Kanada zu finden“, sagt Reichlin und lächelt.
Die Gründung einer GmbH und die Erstellung eines Businessplans waren zu Beginn eine völlig unbekannte Welt für Reichlin. Er – der 25 Jahre lang als freischaffender Künstler und Bildhauer tätig war – hatte gar kein Interesse, ein Unternehmen zu gründen. Der Wandel vom Künstler zum Unternehmer war jedoch nicht nur eine Frage der Inspiration, sondern auch der richtigen Partnerschaft: Der Gründer erklärt, dass seine Lebensgefährtin Beate Hoyer einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des Unternehmens geleistet habe. „Sie hat den wirtschaftlichen Background gebracht – alles, was mit der Büroarbeit und auch mit der Vision zu tun hat“, so Reichlin.
Obwohl er aus einer Unternehmerfamilie stammt, in der eine Kunstgalerie und ein Bilderrahmengeschäft betrieben wurden, war es die Vorstellung von Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern, die ihn zunächst zurückschrecken ließ. „Was mich einfach abgeschreckt hat, war eine Firma mit Angestellten. Da hast du viele Verpflichtungen und Verantwortung, dass alles funktioniert.“ Heute beschäftigt die Feuerring GmbH neun Angestellte, die vor allem für die Logistik und Abwicklung zuständig sind. Die eigentliche Herstellung des Feuerrings erfolgt extern durch Auftragsarbeit. Reichlin blickt positiv auf den Wandel und die Entscheidung, Unternehmer zu werden: „Es funktioniert jetzt wirklich tadellos – weil es eben aus der Freude heraus passiert!“
Andreas Reichlin entwickelte den Feuerring, für den er Patent und Urheberschutz innehat und Designpreise erhielt. Er leitet das Unternehmen gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Beate Hoyer.
Fotos: Feuerring