Das Amazon des Schrotts

Jan Pannenbäcker hat bereits im Schulalter gegründet, doch seine größten Ziele hat er noch vor sich. Gemeinsam mit Alexander Schlick startete der Deutsche 2016 das Unternehmen Metaloop mit Sitz in Graz, um die Metallrecyclingbranche digitaler und effizienter zu gestalten.Mit ihrer Onlineplattform Schrott 24, die Preistransparenz im Altmetallmarkt bietet, haben sie die Sparte revolutioniert. Doch Pannenbäcker denkt weiter: Langfristig möchte er das „Amazon des Schrotts“ aufbauen.

An seinem Arbeitsplatz, dem Co-Working-Space im Bürogebäude The Icon am Wiener Hauptbahnhof, treffen wir Jan Pannenbäcker. Im achten Stockwerk des modernen Glasbaus haben sich Freiberufler, Start-up-Gründer und Studenten eingemietet – hier fühlt sich der Nord­deutsche, der in der Nähe von Hamburg auf­gewachsen ist, wohl. Kein Wunder; fast sein halbes Leben hat der 38-Jährige damit verbracht, ­Start-ups zu gründen. Sein aktuelles Unter­nehmen Metaloop, das er 2016 gemeinsam mit Alexander Schlick gründete, ist zweifellos der bisher größte Erfolg seiner Karriere. Im The Icon ist ein halbes Dutzend An­gestellte untergebracht – das Wiener Team von Metaloop. Der Großteil der Mitarbeiter ­arbeitet jedoch im Hauptsitz in Graz. In mittlerweile zehn Ländern beschäftigt Metaloop mehr als 50 Personen. Pannenbäcker, der in Graz lebt und dort die meiste Zeit arbeitet, reist regelmäßig zum Team nach Wien.

Das Interview findet in einem separaten Raum statt, von dem aus man einen beeindruckenden Blick über Wien hat. „Ich habe bereits in der Schulzeit zum ersten Mal gegründet“, sagt Pannenbäcker – bei einem Aufenthalt auf der griechischen Insel Paros fiel ihm auf, dass die landwirtschaftlichen Praktiken klimaschädliche Emissionen verursachen und die Böden schädigen. Seine Idee, mit Compost Paros eine Kompostierungsanlage zu errichten, war vielversprechend, scheiterte jedoch an der bürokratischen und politischen Situation in Griechenland. Nach seinem Studium der Wirtschaft in Graz gründete Pannenbäcker 2011 das Unternehmen Good Wear, das nachhaltige Mode online vertrieb, ohne die Kleidung selbst zu lagern; stattdessen wurde die Ware direkt vom Lieferanten an die Kunden geschickt. Drei Jahre später verkaufte er das Unternehmen – und erwähnt, dass der Verkauf zwar keine hohe Summe einbrachte, ihm aber wertvolle Erfahrungen und neue Möglichkeiten eröffnete. Danach sammelte Pannen­bäcker Erfahrungen in der Unternehmens­beratung, um festzustellen, dass ihm nichts mehr Freude bereitet, als Start-ups zu gründen.

Die nächste Gelegenheit bot sich im Jahr 2015, als er bei einer zufälligen Begegnung im Rahmen eines Networking-Events den Grazer Altmetallhändler Alexander Schlick kennenlernte. Dieser betreibt mit seinem Familienunternehmen Schrottwolf einen Schrottplatz in der steirischen Hauptstadt. „Seine Erfahrungen in der Branche und seine Geschäftsidee haben mich schnell überzeugt“, erzählt Pannenbäcker. Schlick, der vor seiner Rückkehr nach Graz ­einen MBA an der Universität Hongkong ab­solvierte und für Procter & Gamble in Singapur tätig war, erkannte das große Potenzial für digitale Lösungen des Rohstoffmarkts für Alt­metall, der weltweit auf 600 Mrd. US-$ geschätzt wird. Die Metallrecyclingbranche wächst, weil sie einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele leistet: Recycling von Metall verursacht bis zu 90 % weniger CO2 als die Verwendung von neuen Rohstoffen in der Industrie.

Aber das klassische Geschäftsmodell des Schrottplatzes, wie Schlicks Urgroßvater und die nachfolgenden Generationen es betrieben hatten, war nicht mehr zeitgemäß. Der Prozess, bei dem Altmetall gereinigt, sortiert und dann an Großhändler zur Weiterverarbeitung oder ­direkt an Wiederverwerter abgegeben wird, hat sich laut Schlick in über 80 Jahren kaum verändert. Der Unternehmer in vierter Generation war überzeugt: Es muss eine Möglichkeit geben, das Sourcing für Altmetall digital und ­effizienter zu gestalten. Marktteilnehmer – von Industriekunden bis hin zu kleinen Unternehmen – sollten ihre Zeit, Energie und ihr Geld nicht in Preiskämpfe und Inventuren stecken, sondern sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.

Mit Pannenbäcker als digitalem Mastermind an seiner Seite konzentrierte sich Schlick zunächst darauf, Schrottpreise zu veröffentlichen. Unter dem Namen Schrott 24 (die frühere Version des heutigen Unternehmens Metaloop) ­erstellten sie eine Plattform zur Preistrans­parenz am Markt – ein Novum in einer Branche, in der Marktwerte bis dahin nirgendwo gelistet wurden. Die Idee stieß in Teilen der Recycling­branche auf eine Mischung aus Staunen und Skepsis. Letztlich führte die Transparenz­initiative zu erheblichem Widerstand bei alt­eingesessenen Händlern. „Die haben zu uns gesagt: ‚Seid ihr wahnsinnig?‘“, berichtet Pannenbäcker. Die digitale Veröffentlichung von Preisen sowie Anleitungen zur Sortierung der Materialien wurden als Bedrohung für das traditionelle Geschäftsmodell angesehen. „‚Erstens erzählt ihr den Leuten, wie man diese Materialien sortieren muss. Das ist eigentlich ein Kern unserer Wertschöpfung. Und dann sagt ihr auch noch, was die (Materialien, Anm.) wert sind. Jetzt kommen alle und zeigen mir am Handy, wie viel sie bei Schrott24 kriegen!‘“, erinnert sich Pannenbäcker an eine Beschwerde eines wütenden Kaufmanns.

Trotz der Widerstände entwickelten Pannenbäcker und das Team das Angebot ­stetig ­weiter. Die Gründer entschlossen sich, über die reine Vermittlung hinauszugehen und als ­direkter Partner Unternehmen in der industriellen Kreislaufwirtschaft zu unterstützen – was heute das Kerngeschäft von Metaloop ist. Sie bieten Her­stellern eine umfassende Lösung für die Verwaltung von Schrott, egal ob sie kaufen oder ­verkaufen möchten. Zusätzlich ist Metaloop dafür verantwortlich, dass das Altmetall direkt bei den Kunden abgeholt wird. In Zusammenarbeit mit führenden Recyclingunternehmen und Schmelzereien sorgt das Unternehmen dafür, dass die Kapazitäten optimal genutzt werden, und stellt eine maßgeschneiderte All-in-one-Lösung zur Verfügung.

Es ist unrealistisch zu sagen, dass wir 30 % des Welthandels direkt über unser Unternehmen abwickeln werden, aber unser Ziel ist es, den Markt weiter zu öffnen.“ Jan Pannenbäcker

Jan Pannenbäcker

„Wir sind organisch gewachsen und ­haben gemerkt, dass immer größere Deals rein­kommen“, erzählt Pannenbäcker. Mit der Zeit wurden die Prozesse immer effizienter. „Am Ende hast du viele Mittelsmänner in der Wertschöpfungskette, bis das Material zum Stahlwerk oder zur Gießerei kommt. Das haben wir im Laufe der Zeit immer weiter für uns verkürzt“, so Pannenbäcker. Um in diesem optimierten Modell relevant zu bleiben, sei es entscheidend ge­wesen, die Umsätze kontinuierlich zu steigern: „Wir mussten die Volumina ver­größern, um für die nächste Station in der Wertschöpfungskette relevant zu sein.“ Metaloop ­arbeitet direkt mit produzierenden Industrien wie der Automobil- und Elek­tronikbranche zusammen, „bei denen am Fließband produziert wird und gleichzeitig Schrott mit hoher Qualität und in großen Mengen anfällt“, sagt Pannenbäcker. „Es sind teilweise ­börsennotierte Zulieferunternehmen; manche erzielen Milliardenumsätze und betreiben mehr als zehn Standorte, aber die meisten Kunden sind Mittelständler“, so Pannen­bäcker weiter, der aus Daten­schutzbestimmungen keine Un­ternehmensnamen nennen darf.

Mit rund 500 Unternehmen hat Metaloop langfristige Partnerschaften abgeschlossen. Pannenbäcker: „Wir schließen Verträge für ein bis fünf Jahre ab, übernehmen den kompletten Service und bieten indexbasiertes Pricing.“ Obwohl er keine genauen Zahlen nennt, verweist er auf monatliche Umsätze im acht­stelligen Bereich. Die Mehrheit der Kunden stammt aus Deutschland und Österreich, gefolgt (mit deutlichem Abstand) von Spanien und Osteuropa. In Spanien verfügt das Unternehmen über ein ­eigenes Team vor Ort, während in Osteuropa einzelne Mit­arbeiter den Markt betreuen – denn nicht selten arbeitet Metaloop mit multinatio­nalen Unternehmen zusammen, deren Hauptsitz sich zwar in Deutschland befindet, die ihre Produktion jedoch in osteuropäische Länder wie beispielsweise Rumänien outgesourct haben. Alt­metall wird nicht nur in Europa gehandelt, sondern findet vor allem in den industriellen Wachstumsmärkten Asiens großen Absatz.

Das rasante Wachstum des Geschäfts­modells blieb bei Investoren nicht ­unbeachtet. Vergangenes Jahr schloss das Grazer Start-up eine überzeichnete Serie-A-Finanzierung ab. Die Runde wurde vom in New York ansässigen Technologieinvestor First Mark Capital angeführt und belief sich auf mehr als 16 Mio. €, mit Beteiligung von Silence VC und den bestehenden Investoren Statkraft Ventures und FJ Labs. In einer Aussendung lobte Rick Heitzmann, Mitgründer von First Mark, Metaloop für sein starkes organisches Wachstum und die hohe Kundenbindung – Qualitäten, die laut seinen Worten selten zu finden seien. „Wir freuen uns darauf, gemeinsam in Richtung globale Marktführerschaft zu arbeiten“, so Heitzmann, der als Board Member bei Metaloop einstieg.

Über einen längeren Zeitraum hinweg plant Pannenbäcker ein noch ambitionierteres Ziel: „Wir möchten eine neue Art von globalem Marktplatz für sekundäre Rohstoffe etablieren.“ Um diese Vision zu verwirklichen, ­konzentriert sich Metaloop darauf, zunächst Liquidität und technische Infrastruktur aufzubauen. Ziel ist es, die verschiedenen Akteure im Markt über die ­eigene Software zu verbinden, sodass diese mit dem System arbeiten können. „Unter­nehmen, die Schrott produzieren, arbeiten dann mit ­unserer Software, sehen Preise, Qualitäten und haben ein Interface, über das sie alle ­Vorgänge steuern“, so Pannenbäcker. Er vergleicht diesen Schritt mit den frühen Tagen der ­Giganten des Internethandels: „Das ist vielleicht vergleichbar mit Amazon in den Anfangstagen, wo du ein Interface hattest, um Bücher zu kaufen, aber es war eigentlich nur der Handel“, sagt Pannenbäcker. In ferner Zukunft möchte Metaloop nicht mehr der zentrale Akteur in jeder Transaktion sein. Stattdessen soll das System offen werden, um auch andere Dienstleister zu integrieren und so die Effizienz zu steigern. Laut Pannenbäcker geht es um die Schaffung eines offenen ­Marktplatzes, der nicht nur Schrottproduzenten, sondern auch ­angrenzende Dienstleistungen wie Transport, Finanzierung und Versicherung integriert.

„Wir wollen ein Ökosystem aufbauen, in dem man Preisindizes bilden kann, die dann als Grundlage für Verträge zwischen Parteien dienen“, fasst Pannenbäcker zusammen. „Es ist unrealistisch zu sagen, dass wir 30 % des Welt­handels direkt über unser Unternehmen abwickeln werden, aber unser Ziel ist es, den Markt weiter zu öffnen.“

Jan Pannenbäcker gründete gemeinsam mit Alexander Schlick die Unternehmen Metaloop und Schrott 24, um die Metallreyclingbranche zu revolutionieren. Während sich Metaloop auf B2B-Kunden konzentriert, liegt der Fokus von Schrott 24 auf dem B2C-Bereich.

Fotos: David Višnjić, Metaloop

Paul Resetarits,
Redakteur

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