CULPA IN ELIGENDO: ZUR FLUKTUATION VON FRAUEN IN VORSTANDSPOSITIONEN

Wachsende Fluktuation von Frauen in Vorstands­positionen und daraus resultierende Auswirkungen auf die Geschlechtergleichstellung in der Unternehmensführung sind drängende Themen. Wieso verlassen so viele hoch qualifizierte Frauen ihre Vorstandspositionen frühzeitig?

Die Einführung gesetzlicher Vorschriften in Deutschland, die große börsennotierte Unternehmen dazu verpflichten, bei Vorstandsneu­besetzungen mindestens einen Posten mit einer Frau zu besetzen, hat mitgewirkt, den Frauen­anteil in Vorständen zu erhöhen. 2023 be­trug der Frauenanteil in den Vorständen der DAX-­Unter­nehmen 17 %. Dieser Fortschritt allein reicht aber nicht aus, da viele Frauen nach kurzer Zeit ihre Vorstandspositionen verlassen. Österreich wird bei der Vorstandsquote wohl bald nachziehen.

Eine höhere Fluktuation von Führungs­­kräften macht die Organisation eher langsamer, und dies wird teurer; ein Dilemma auch für Auf­sichts­organe. Um die Gründe dafür zu ver­stehen, hat der deutsche Ökonom Stephan Jansen nun wissenschaftliche Studien analysiert:

  1. In Zeiten volatiler Märkte und technolo­gischer Disruption steht das Management unter hohem Druck. Komplexere Entscheidungen und verstärkte Anforderungen an Compliance und Reporting könnten zu einer höheren Fluktuation bei Führungskräften führen – inklusive Frauen.

  2. Übermäßig selbstbewusste Manager werden in Auswahlprozessen bevorzugt. Männer neigen häufiger zur Überzuversicht als Frauen, was ihre längere Verweildauer erklären könnte.

  3. Frauen könnten aufgrund von Quoten­regelungen schneller in Vorstands­positionen auf­steigen, aber sie könnten auch weniger Erfahrung in Gremienarbeit haben, was zu kürzeren Verweildauern führen könnte.

  4. Externe ­Managerinnen bleiben möglicherweise länger als externe Manager, aber kürzer als interne Aufsteiger.

  5. Die verstärkte Nachfrage nach Frauen in Vorstandspositionen könnte zu häufigeren Wechseln führen, was nicht unbedingt ein Zeichen des Scheiterns ist, vielmehr das Gegenteil.

  6. Frauen werden oft in Positionen berufen, die schneller ersetzbar sind, da sie in verschiedenen Branchen vergleichbar sind.

Conclusio: Frauen haben möglicherweise mehr Auswahlmöglichkeiten und wechseln daher häufiger, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Anwesen­heit von Frauen in Aufsichtsräten die Verweil­dauer von Frauen in Vorständen verlängern kann und die Unternehmensleistung steigert.

Heiner Thorborg, Grandseigneur der deutschen Personalberaterbranche und großer Förderer von Frauen in Führungspositionen: „So drängt sich zumindest mir der Eindruck auf, dass Männer einfach nicht gut genug sind in der professionellen Beurteilung von Frauen.“

Die Auswahl von Vorständen und Vor­ständinnen durch Personalberater (und somit der Aufsichtsorgane) wird sorgfältiger erfolgen müssen, um sicherzustellen, dass die bestquali­fizierten Personen die Positionen besetzen, un­­abhängig von ihrem Geschlecht – nicht nur im Interesse der Frauen, sondern auch im Interesse der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter.

Viktoria Kickinger ist ­Gründerin und Geschäftsführerin der Directors Academy. Zudem ist sie eine erfahrene Aufsichtsrätin und Leiterin der CSE-Zertifizierungs­kommission für Aufsichtsräte.

Forbes Contributor

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