BRANCHEN IM UMSCHWUNG: WELT

Die Coronakrise hat auch auf globaler Ebene keinen Halt gemacht. Welche Auswirkungen ergeben sich durch die Pandemie auf die Branchen Produktion, Finanzen, Luftfahrt sowie Tourismus und Hotellerie?

PRODUKTION

Aufgrund nationaler Maßnahmen kommt es auch zu erheblichen Einbußen in der globalen industriellen Produktion. Nicht nur, weil behördlich angeordnete Lockdowns die Güteranfertigung bremsen, sondern auch aufgrund der durch die Konjunktur bedingten Nachfrageeinbrüche.Auf Basis von Berechnungen der United Nations Industrial Development Organisation kommt es in 90 % der Länder aktuell zur Senkung der industriellen Produktion in der Automobilität, Möbelherstellung und Reparatur.

Die Textil-, Gummi- oder Getränkeproduktion ging seit Ausbruch der Krise in über 80 % der Länder zurück. In der besonders stark betroffenen EU schrumpfte die gesamte industrielle Produktion seit Februar um fast 20 %. Am Beispiel der Autoindustrie werden die Herausforderungen für die Industrie durch Covid-19 besonders deutlich: Fabrikschließungen und Nachfrageeinbrüche sorgen seit März für einen massiven Gewinnausfall. Laut der Weltarbeitsorganisation (ILO) werden etwa 2,5 Millionen Automobile wegen Fabriksschließungen in Nordamerika und Europa nicht wie geplant produziert. Ein Verlust von über 77 Milliarden US-$.

In China sank der Verkauf von Autos Anfang des Jahres um 3 %, in der EU gar um 7,4 %. Mitte März fuhr der deutsche Autobauer BMW reihenweise die über mehrere Kontinente verteilten Produktionsstätten herunter. Auch Ford rechnet in den ersten beiden Quartalen 2020 mit insgesamt sieben Mrd. US-$ Verlust. Starttermine für neue Modelle wurden zeitlich verschoben. Doch Elon Musk sieht auch die positiven Auswirkungen: Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden beschleunigt, das Geschäft mit Elektroautos vorangetrieben.

LUFTFAHRT

Eine Branche wortwörtlich am Boden: Aufgrund von Grenzschließungen und Reisebeschränkungen kam der Passagierflugverkehr rund um die Welt so gut wie vollkommen zum Erliegen. Eine Vielzahl an Reisebeschränkungen wurde mittlerweile erleichtert, es sind jedoch immer noch bedeutend weniger Passagierflugzeuge unterwegs als im Vorjahr. So gab es allein in der Woche vom 6. Juli 2020 weltweit rund 55 % weniger geplante Flüge als in der gleichen Woche im Vorjahr, so der Anbieter für Fluginformationen OAG. Den Schätzungen des Airport Council International (ACI) zufolge, wird es im Jahr 2020 rund 38 % weniger Flugpassagiere geben als ursprünglich vor der Pandemie erwartet. Die Umsatzeinbußen in der Branche sind dramatisch: Der Dachverband der Fluggesellschaften AITA prognostiziert einen Verlust von 314 Milliarden US-$ weltweit für das Jahr 2020.

Genauso betroffen sind die Flughäfen, die mit einem Verlust von insgesamt rund 77 Milliarden US-$ für das restliche Kalenderjahr rechnen müssen. Als Reaktion entsendeten eine Reihe an Airlines und Flughäfen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. Darüber hinaus sieht IATA rund 25 Millionen Arbeitsplätze in der Luftfahrt und ihren naheliegenden Branchen aufgrund von Personalkosteneinsparungen weltweit als gefährdet an. Auch auf Produzentenseite, etwa beim amerikanischen Flugzeugbauer Boeing oder dem europäischen Flugzeughersteller Airbus, werden Maßnahmen ergriffen. Letzterer reduzierte die Jet-Produktion auf ein Drittel des ursprünglich geplanten Volumens. Um für die nächsten Monate gewappnet zu sein, stockte das Unternehmen seine Liquiditätsreserven um rund zehn Milliarden € auf.

Beide Hersteller setzen ihre Dividendenzahlung aus. Vorstandschef Dave Calhoun und der Verwaltungsratsvorsitzende Larry Kellner von Boeing verkündeten, sich bis Jahresende kein Gehalt mehr auszahlen zu lassen. Auch wenig rosig sieht es für die Lufthansa aus: Der Konzern verlor zwischenzeitlich eine Million € pro Stunde, so das Onlineportal finanzen.at – das Hilfspaket der deutschen Bundesregierung für die Airline ist neun Milliarden € schwer.

FINANZEN

Auch die Finanzbranche blieb von den Folgen der Pandemie nicht verschont. Als das neuartige Corona-Virus im Frühjahr endgültig Europa und Nordamerika erreichte und die jeweiligen Regierungen mit drastischen Maßnahmen reagierten, die teilweise ein komplettes Stillstehen der Wirtschaft bedeuteten, spielte auch die Finanzwelt verrückt. Sowohl der Dow Jones als auch der S&P 500 erreichten mit einem Minus von 23 bzw. 20 % historische Quartalsverluste, schreibt das Handelsblatt. Der österreichische Leitindex ATX verlor zwischen Jänner und März sogar 38 % seines Wertes. Global betrachtet verloren börsennotierte Unternehmen laut dem Medium innerhalb von sechs Wochen 19,4 Milliarden € an Wert. Panikverkäufe und Verlustgeschäfte an den Finanzmärkten sorgten für Instabilität. Die erhöhte Anzahl an Kundenanfragen bezüglich der eigenen Anlagen und dem Ersparten, um das diese nun bangen, nutzen Banken wie JPMorgan auch als Test für zukünftige – und nicht ausschließbare – globale Krisen.

Dennoch glauben Experten, dass der Bankensektor insgesamt gut durch die Krise kommen wird, so Die Zeit. Sowohl Staaten als auch Banken haben von der Finanzkrise 2008 gelernt und daher Vorkehrungen in Form von höheren Rücklagen und Stresstests getroffen, die im Fall von ruckartigen Marktentwicklungen stabilisierend wirken sollen. Die Deutsche Bank spürt die Auswirkungen bereits in Form von Zahlungsschwierigkeiten ihrer Klienten. Seit Ausbruch der Krise hat die Bank über 70.000 Stundungsanträge erhalten, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Karl von Rohr.

TOURISMUS UND HOTELLERIE

Ähnlich wie die Luftfahrtindustrie fiel auch die Tourismusbranche aufgrund der erlassenen Reisebeschränkungen und Abstandsregelungen in eine weltweite Krise. Laut der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) wird weiterhin ausschlaggebend sein, zu welchem Zeitpunkt und inwiefern nationale Regierungen (wieder) internationale Touristen zulassen. Je nach unilateralen Bestimmungen und regionalen Infektionsentwicklungen kann der Buchungs- und Reiserückgang unterschiedlich ausfallen. Im April verzeichnete beispielsweise die texanische Stadt Austin insgesamt nur 324 gebuchte Hotelzimmer. Im Vorjahreszeitraum gab es hingegen über 10.000, so die New York Times.

Mit den fehlenden Touristen kommt es auch zu erheblichen Verlusten in vielen anderen Wirtschaftsbereichen. Im Mai wurde von der OECD eine Buchungsrate für Europa von unter 30 % ermittelt, was mittelfristig wohl zu vielen Schließungen führen wird. Zudem berechnete die amerikanische Restaurantbranche einen finanziellen Verlust von 225 Milliarden US-$ zwischen März und Mai, wobei Reisebeschränkungen jedoch nicht der einzig relevante Faktor seien, so die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO). Einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands zufolge lagen in Deutschland die durchschnittlichen Umsatzverluste der Branche im Zeitraum von Januar 2020 bis Juli 2020 bei rund 60% - der Höhepunkt wurde im April 2020 mit Verlusten in Höhe von 86,8% erreicht. Auch aufstrebende Tourismusunternehmen leiden an der aktuellen Situation. Der Unterkunftsanbieter Airbnb strich bereits 25 % seiner Stellen. Brian Chesky plante ursprünglich den Börsengang für 2020. Doch dann brach das Geschäft innerhalb von nur sechs Wochen um 80% ein, so der CEO in einem öffentlichen Schreiben.

Staaten versuchen die heimische Tourismusbranche zu unterstützen, indem sie die eigene Bevölkerung ermutigen im Inland Urlaub zu machen. Tatsächlich macht „Heimaturlaub“ in OECD Staaten 75 % der Wertschöpfung aus – die einzige Chance für viele Tourismusorte. Damit einhergehend ergibt sich auch eine weit grundlegendere Diskussion über einen Tourismus der Zukunft, basierend auf Prinzipien der Nachhaltigkeit und Regionalisierung. Schon vor Corona gab es in vielen Weltregionen Proteste von Einheimischen gegen einen zerstörerischen Massentourismus.

Text: Chloé Lau
Illustration: Valentin Berger

Chloé Lau,
Redakteurin

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