Boeing unter Druck: China stoppt Milliarden-Deals

Boeing steht erneut unter Druck – diesmal nicht wegen technischer Pannen oder interner Managementfehler, sondern als geopolitisches Bauernopfer. Laut einem Bericht von Bloomberg hat die chinesische Regierung ihre heimischen Fluggesellschaften angewiesen, sämtliche neuen Lieferungen von Boeing-Flugzeugen auszusetzen. Auch Ersatzteile und sonstige Luftfahrtkomponenten aus den USA dürfen vorerst nicht mehr beschafft werden. Der Schritt gilt als direkte Reaktion auf die massiven US-Strafzölle gegen chinesische Produkte.

Das Ergebnis: Die Aktie des US-Flugzeugbauers fiel am Dienstag im vorbörslichen Handel zeitweise um 4,5 % und notierte zuletzt bei 153,94 US-$ – ein Minus von 3,35 % im Vergleich zum Vortag.

Ein politisches Erdbeben mit wirtschaftlicher Wucht
Auslöser dieser Eskalation ist die Einführung eines Zollpakets von Ex-Präsident Donald Trump, das chinesische Exporte in die USA mit insgesamt 145 % belegt – bestehend aus einem bereits bestehenden 20-%-Zoll und einem jüngst erlassenen Aufschlag von 125 %. Peking konterte prompt mit Gegenzöllen auf US-Waren in derselben Höhe. Besonders stark betroffen: der Luftfahrtsektor.

Für Boeing bedeutet das nicht nur Imageverlust, sondern konkret verlorenes Geschäft in Milliardenhöhe. Laut Bloombergentfielen im Jahr 2023 rund 20 % der weltweiten Auslieferungen von Boeing an chinesische Kunden – ein Markt mit hohem Wachstumspotenzial. Allein im Jahr 2023 lieferte Boeing weltweit 528 Verkehrsflugzeuge aus, davon schätzungsweise mehr als 100 nach China. Angesichts eines durchschnittlichen Listenpreises von etwa 130 Mio. US-$ pro Jet bedeutet das ein potenzieller Umsatzverlust von mehr als 13 Mrd. US-$ jährlich – ohne Ersatzteile und Serviceverträge.

Strategische Lücke – und kein schneller Ausweg in Sicht
Auch wenn Boeing die genauen Umsatzeinbußen bislang nicht bestätigt hat, ist klar: Der Wegfall des chinesischen Markts trifft das Unternehmen ins Mark. Neben den unmittelbaren finanziellen Einbußen steht nun auch die strategische Zukunft auf dem Spiel. China ist nicht nur einer der größten Luftfahrtmärkte der Welt – es ist auch der am schnellsten wachsende. Laut IATA soll sich das Passagieraufkommen in China bis 2040 nahezu verdoppeln.

Der Ausschluss aus diesem Markt bedeutet für Boeing eine gefährliche Schieflage im Wettbewerb mit dem europäischen Konkurrenten Airbus, der bereits jetzt von den Spannungen profitiert. Während Boeing Lieferungen storniert bekommt, baut Airbus seine Produktionslinien in Tianjin weiter aus – unter anderem für das beliebte Modell A320.

Wie geht es weiter?
Ob und wann die chinesische Regierung den Importstopp aufhebt, ist offen. Laut Bloomberg prüft Peking derzeit staatliche Unterstützungsmaßnahmen für Airlines, die bisher auf Boeing setzen – etwa durch beschleunigte Zulassungsverfahren für alternative Flugzeugtypen oder Subventionen für neue Flottenstrategien.

Für Boeing bleiben vorerst nur zwei Optionen: Entweder gelingt es, mit diplomatischem Druck und politischen Verhandlungen die Handelssperre zu lösen – oder man versucht, durch neue Absatzmärkte in Indien, Südostasien oder Lateinamerika gegenzusteuern. Beides wird Zeit kosten, viel Geld verschlingen und verlangt ein hohes Maß an unternehmerischer Geduld.

Fazit
Der Lieferstopp aus China kommt für Boeing zur Unzeit – mitten in einer Phase, in der das Unternehmen versucht, nach Jahren voller Krisen wieder Tritt zu fassen. Der geopolitische Konflikt hat das Potenzial, nicht nur kurzfristige Umsätze zu vernichten, sondern die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Boeing grundlegend zu gefährden. Was auf dem Papier wie ein Handelsstreit aussieht, ist in Wahrheit ein milliardenschwerer Angriff auf die Zukunft eines der wichtigsten Industriekonzerne der USA.

Text: Siladitya Ray
Foto: Luca Cavallin

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