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Die Sage Group bietet seit 30 Jahren Buchhaltungs- und Bezahlsoftware für KMU an. Nun will CEO Stephen Kelly mit künstlicher Intelligenz neue Potenziale ausschöpfen.
Stephen Kelly bringt viel Erfahrung in verschiedensten Unternehmenspositionen mit. So war er unter anderem CEO von Chordiant Software (2010 aufgelöst, Anm.) und Micro Focus sowie Gründungsinvestor von mehreren kleinen und mittelständischen Unternehmen. 2014 wurde Kelly zum CEO bei Sage bestellt, bei seiner Antrittsrede brachte er den Unternehmens-Purpose auf den Punkt: „Wir werden uns weiterhin darauf konzentrieren, unsere Kunden zu begeistern und zu unterstützen, damit sie ihre Geschäfte ausbauen und wachsen können.“ Auch während des Gespräches im Wiener Sofitel kommt der Brite immer wieder auf den Daseinszweck zurück – und präzisiert ihn zugleich: KMU zu stärken. Besonders modernste Tools und Technologien haben es Kelly angetan. So launchte Sage, das in 24 Ländern weltweit vertreten ist, im April 2017 seinen ersten auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Chatbot „Pegg“. Wie KMU davon profitieren können und welche Produkte das Unternehmen in Zukunft plant, diskutierten wir mit Kelly. Mit dabei war auch der Sage-Geschäftsführer Österreich, Johannes Kreiner. Die österreichische Niederlassung hat sich seit den 1980er-Jahren besonders auf die Entwicklung von Anwendungs-Software für das Personalwesen spezialisiert.
Welche Umwälzungen erwarten Sie in den kommenden Jahren in Ihrer Branche?
Stephen Kelly: Heutzutage steht eine Fülle an Software und Technologien zur Verfügung. Daher existiert eine große Chance für die Konvergenz verschiedenster Technologien. Das Verrechnungswesen und Gehaltslisten sind beispielsweise der perfekte Anwendungsfall von KI. Wenn zukünftig noch andere Technologien wie Maschinelles Lernen oder „Collective Intelligence“ (kollektive Intelligenz, die aus der Kollaboration oder den kollektiven Anstrengungen vieler Individuen hervorgeht, Anm.) in dieser Sparte hinzukommen sowie Blockchain, können es sehr aufregende Zeiten werden.
Inwiefern unterscheidet sich dies zu vergangenen technologischen Entwicklungen?
Stephen Kelly: Man könnte sagen, in den vergangenen 20 Jahren war es eher so, dass sich die Menschen nach der Technologie richten mussten. Jetzt ist es der Fall, dass Menschen wieder die Kontrolle haben – sie können jedes Device nutzen; sei es am Smartphone oder mittels Spracherkennung oder einer „smarten“ Uhr. Und all das, um sein Business voranzutreiben. Das funktioniert bei einfachen Dingen wie: Was ist mein Cashflow? Allein durch das Kommando der Stimme, bekommt man diese Informationen (siehe Chatbot „Pegg“ unten, Anm.). Das Business der Zukunft ist vollautomatisiert, in der also die Unternehmer die Kontrolle über ihre Geschäftssparten haben.
Welche Vorteile bringt das für Unternehmer?
Stephen Kelly: Unternehmer verbringen durchschnittlich sechs bis sieben Stunden in der Woche mit Administration, die in der Regel ziemlich banal ist. Durch den Einsatz von speziellen Technologien können sie sich einiges an Zeit sparen und gleichzeitig mehr auf die eigentliche Arbeit konzentrieren. Unternehmer sind somit in der Lage ihre Daten umfassend zu verwalten – wir sprechen in diesem Zusammenhang von „People Science“ und „Data Science“. Unternehmer können intelligente Entscheidungen real-time fällen, denn auch alle Informationen im Geschäft laufen in real-time und multidimensional ab.
Johannes Kreiner: Diese Veränderungen sehen wir auch im HR-Bereich – er wird sehr von administrativen Vorgängen dominiert. Nach vielen Kundengesprächen, glauben wir, dass sich das Wissen in den Human Resources von einem spezialisierten – das sehr komplex und intensiv ist – zu einem allgemeineren wandeln wird. Durch die von uns angebotenen Technologien und die entsprechende Automatisierung müssen die Mitarbeiter nicht mehr derart tief im Thema drinnen sein.
Stephen Kelly: Die österreichische Wirtschaft beispielsweise wächst mit einem BIP von einem Prozent. Es sind acht Millionen Menschen bei 330.000 Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern. Wir glauben daran, dass wir mit der Sage Business-Cloud die Produktivität noch weiter steigen können (Kelly nennt dies „technology enabled productivity“, Anm.). Da wir Unternehmern mit unserem Service sechs bis sieben Stunden in der Woche ersparen. Es stellt sich hierbei allein die Frage, ob es vier oder fünf Jahre dauern wird, bis das Wirtschaftswachstum ein Prozent übersteigt.
Sage hat im Ethics of Code fünf „Core Principals“ beschrieben, wobei eines davon heißt: „AI must be held to account — and so must users“. Wie kann das funktionieren?
Stephen Kelly: Jeder weiß, dass KI bereits in den Startlöchern ist. Sie wird Auswirkungen auf das haben, was wir die vierte industrielle Revolution nennen. Wir haben den Ethics of Code publiziert, weil wir wollen, dass Unternehmer, Regierungen und Konsumenten in die Debatte rund um KI involviert sind. In dieser wollen wir ein Katalysator sein. KI könnte in Zukunft rund 90 Prozent der Diagnosen fällen, beispielsweise anstelle eines Arztes. Aber was ist, wenn die KI falsch diagnostiziert und jemand dabei stirbt? Wer wird dafür zur Rechenschaft gezogen? Es ist gut, dies nach einem derartigen Fall juristisch zu klären, aber umso besser bereits davor Bescheid zu wissen.
Und: je smarter Devices werden, umso mehr sichergestellt werden, dass die KI den Menschen dient und nicht sich selbst. Berechtigterweise ist die größte Angst hierbei jene vor der Machtübernahme der Roboter. KI verspricht große Produktivitätszuwächse, aber es ist gleichzeitig eine starke Waffe, die gut durchdacht werden muss.
Der Chatbot Pegg funktioniert etwa mittels KI. Wie kann dieser eingesetzt werden?
Stephen Kelly: Auf dem Sage Summit (Business Konferenz mit 5.000 Entrepreneuren – 2018 findet er in Wien statt, Anm.) vergangenen April haben wir Pegg weltweit das erste Mal vorgestellt. Wir haben bereits zehntausende User in über 200 Ländern weltweit. Pegg ist ein geschlechtsneutraler Chatbot, der mittels KI funktioniert. Accounting ist einfach der ideale Anwendungsfall dafür. Über das Smartphone können Sie Pegg beispielsweise fragen, wie hoch das Barguthaben ist, wie es um die ausstehenden Rechnungen steht. Der Chatbot lernt dabei ständig dazu.
In welche Richtung werden sich Chatbots in Ihrer Sparte entwickeln?
Stephen Kelly: In vier, fünf Jahren können sie sicherlich in die Arbeit fahren und sich mit einem Chatbot darüber unterhalten, wie sie ihr Business verbessern können. Sie können nicht nur fragen, wie hoch der derzeitige, sondern auch der zukünftige Bargeldbestand ist – beides wird in das Sage CRM-System integriert sein. Sage wird mehr derartiger Produktankündigungen machen – KI-Tools, Chatbots.
Unsere Arbeitswelt verschnellert sich zusehends. Ist hier ein Ende absehbar?
Stephen Kelly: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen wo wir über das Mooresche Gesetz von Gordon Moore von Intel diskutiert haben. Moore brachte Chips auf den Markt, die doppelt so schnell sind, bei der Hälfte der Kosten. Das Niveau an Innovationen beschleunigt sich auch heute sehr rasch. Wie bereits angesprochen, werden wir eine Konvergenz der Technologien erleben. Ich denke aber nicht, dass es dabei eine Höchstgrenze geben wird.