BITCOIN-MINING IN GRÜN

Nicht nur wahnwitzige Gewinne, sondern auch enorme CO2-Ausstöße machten Bitcoin in den letzten Jahren bekannt – denn die Server, die Bitcoin „minen“, benötigen enorme Ressourcen. Eine Gruppe von US-amerikanischen Minern hat es sich nun zum Ziel gesetzt, eine ebenso grüne wie lukrative Kryptostrategie zu entwickeln.

Bill Spence spielte in seiner Kindheit in den frühen 1970er-Jahren in­mitten von Pennsylvania oft auf Bergen von Abfällen des Kohlebergbaus. Als er in den 90er-Jahren – nach einer Karriere als Software­entwickler an der Westküste – in seinen Heimatort zurückkehrte, prägten die pechschwarzen Berge noch immer die Landschaft. Sie werden „Gob“ genannt, was für „garbage of bituminous“ („Müll aus Steinkohle“) steht. Die größte Gefahr dieser Abfälle? Tödliche Karzi­nogene könnten durch Risse ins Grundwasser gelangen – oder die Berge könnten zu brennen beginnen und die Luft verunreinigen.

So fand Spence seine Mission. Der heute 63-Jährige setzte es sich zum Ziel, diese Kohleberge abzubauen und das Land rund­herum wiederherzustellen – und ­damit auch noch Geld zu verdienen. 2017 erwarb er die Mehrheit am Scrubgrass-Kraftwerk in Venango County, nördlich von Pittsburgh. Es war auf das Recyceln von Asphalt spezialisiert, doch es war kaum überlebensfähig. Nachdem Spence noch im selben Jahr Versagen der Bauch­speicheldrüse und Nierenkrebs diagnostiziert wurden, zog er sich aus dem Unternehmen zurück. Von der vielen Freizeit gelang­weilt begann er, sich mit Krypto­währungen zu beschäftigen. Es dauerte nicht lange, bis er einen Erweckungsmoment hatte: Er würde das Scrubgrass-Kraftwerk retten, indem er die Asphaltabfälle in Bitcoin um­wandelte.

Nun ist Spence genesen und zurückgekehrt, um seine Mission zu verwirklichen: den Müll des 20. in das Gold des 21. Jahrhunderts zu vewandeln. Rund 80 % der 85.000 von Scrubgrass generierten Kilowattstunden werden heute dafür genutzt, Supercomputer zu betreiben. Sie validieren Bitcoin-Transaktionen und treten gegen Computer auf der ganzen Welt an, um rechnerische Herausforderungen zu lösen, um so neue Bitcoins zu generieren. Je nach Bitcoinpreis, der zuletzt bei rund 48.000 US-$ lag, realisiert Scrubgrass einen Umsatz von 20 Cent oder mehr pro Kilowattstunde (kWh). Verglichen damit würde die gleiche Menge an Energie im Strom­­netz nur drei Cent einbringen.

Spence ist nur einer von vielen amerikanischen Bitcoin-­Minern, die eine der größten Schwächen der Kryptowährung – ihren unglaub­lichen Energie­verbrauch – in eine Stärke um­wandeln. Laut der Uni­versity of Cambridge verbraucht Bitcoins globales Netzwerk je nach momentanem Bitcoinpreis (ein höherer Preis zieht mehr Miner an) zwischen acht und 15 Gigawatt Strom. Zum Vergleich: New York City verbraucht sechs, das Land Belgien zehn Gigawatt. Um nur einen einzigen Bitcoin zu minen, braucht ein Computer rund 150.000 kWh – genug Energie, um 170 Haushalte in den USA einen Monat lang zu versorgen.

Die große Strommenge wird für die Berechnung der extrem komplexen mathematischen Formeln benötigt, die neue Bitcoin „minen“, also gewinnen. Diese Komplexität ist es, was Bitcoin besonders macht und den Preis in die Höhe treibt. Natürlich gibt es auch zahlreiche Krypto­währungen, etwa Ethereum, Cardano, Stellar, Ripple / XRP und Algorand, die weitaus weniger Strom benötigen. Doch die Vormachtstellung von Bitcoin kann aktuell keine davon gefährden. Erst kürzlich hat Bitcoin eine Marktkapitalisierung von 700 Milliarden US-$ erreicht – mehr als die fünf nächst­größeren Krypto­währungen zusammen.

Die Bitcoin-Mining-Anlage von Riot Blockchain in Texas zählt 120.000 Rechner. Die Temperatur kann hier wegen der Lüfter auf bis zu 55 Grad Celsius steigen.

Wer wissen will, wie grün auch Bitcoin sein kann, muss seinen Blick nach Texas richten: Dort sind für nächstes Jahr Projekte, die Wind- und Solarenergie im Umfang von 16 Gigawatt erzeugen sollen, angedacht. Bitcoin-Miner sollen dabei als eine Art Schock-Absorber für diese neue grüne Energie dienen: Sie kaufen sie die überschüssige Energie mit einem Rabatt auf, müssen im Gegenzug aber ihre Berechnungen komplett stoppen, sobald in Frost- oder Hitzeperioden mehr Strom benötigt wird.

„West Texas wird den Markt dominieren, alle werden hierher kommen“, prophezeit Jesse Peltan, der 24-jährige CTO von Autonomous. Letztes Jahr hat Peltan dabei geholfen, ein 150 Megawatt großes Krypto-Mining-Datencenter namens Hodl Ranch in Texas zu eröffnen. Es ist der erste Groß­betrieb der Region, der ausschließlich mit Wind- und Solarenergie der Farmen im Umland betrieben werden soll. In manchen Nächten sind die Windböen so stark, dass Strom wieder abgegeben werden muss, damit das System nicht gleichsam vor Energie platzt.

Auch das größte Bitcoin-­Mining-Unternehmen in den USA befindet sich in Texas: Riot ­Blockchain hat einen Börsenwert von über drei Milliarden US-$ und eine Anlage in der Nähe eines Knotenpunkts im Stromnetz, der 5.000 Megawatt (MW) trägt. Riot zapft davon 300 MW ab, um 120.000 Hochgeschwindigkeitscomputer zu betreiben. Ein Zehnjahresvertrag erlaubt es dem Unternehmen, eine unlimitierte Menge an Strom zu einem vergünstigten Preis von 2,5 Cent pro kWh zu kaufen. Das entspricht einem Rabatt von 0,5 Cent pro kWh. Während einer Frostperiode schaltete das Rockdale-Zentrum für zwei Tage kurzerhand all seine Rechner ab und verkaufte seinen Strom um neun US-$ per kWh. Insgesamt machte das Mining-Center alleine damit einen Umsatz von 90 Millionen US-$. „Mit solch einem hohen Energiebezug sind wir nicht nur ein Bitcoin-Mining-Zentrum“, sagt CEO Jason Les – Riot würde zusätzlich als „virtuelles Stromkraftwerk“ fungieren.

Noch stärker auf grüne Technologie setzt Crusoe Energy Systems, das Risikokapital in der Höhe von 250 Millionen US-$ erhalten hat, um Bitcoin mitten in entlegenen Öl- und Gasfeldern in New Mexico, Texas und North Dakota zu schürfen. Zu den Inves­toren zählen unter anderem die Risikokapitalfonds Bain Capital und Valor Equity Partners sowie Tesla-Mitgründer J. B. Straubel und die Zwillings­brüder und Kryptomilliardäre Cameron und Tyler Winklevoss. Crusoe hat bereits 45 Container­ voller Bitcoin-Mining-Computer aufgestellt. Dabei werden die Rechner mit Erdgas betrieben, das andernfalls verbrannt werden würde. (Wenn bei Bohrungen neues Öl gefunden wird, bevor die Rohre, die das Erdgas anschließend auf­neh­men, frei sind, wird das Erdgas ver­brannt. Das Ablassen des Gases in die Atmosphäre wäre noch schlechter für das Klima.) Das Mining-Center rettet pro Tag rund 280 Millionen Liter Erdgas vor dem Verbrennen.

In Pennsylvania sind Umweltschützer übrigens alles andere als erfreut, dass das Scrubgrass-Kraftwerk die gleichen Förderungen erhält wie Wasserkraftwerke. Doch der Staat hat entschieden, dass das CO2, das durch das Verbrennen von Asphalt freigesetzt wird, besser ist, als die toxischen Kohlereste vor sich hindämmern zu lassen. „Das ist ein echtes Problem“, sagt Spence, „und der einzige Weg, es zu lösen, sind Kraftwerke wie dieses.“

Text: Chris Helman / Forbes US
Foto: Aaron Kotowski / Forbes US

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities“.

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