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Der Podcast-Markt boomt: Die Zuwachsraten befinden sich im zweistelligen Bereich, und ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. Doch der Streamingriese Spotify ist damit noch nicht zufrieden – denn Saruul Krause-Jentsch, die als Head of Studios das Podcast-Geschäft in der DACH-Region verantwortet, will mit neuen Tools für Podcaster und eigenen Produktionen das Hörerlebnis auf ein ganz neues Niveau heben.
Sie beschäftigen sich schon seit mehreren Jahren mit Podcasts – da das Phänomen ja noch eher neu ist, ein bemerkenswerter Zustand. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe Business Administration im Bachelor und Master studiert, aber Medien haben mich schon immer sehr fasziniert, weil sie Menschen bewegen. Dementsprechend habe ich in diesem Gebiet angefangen und mich dabei in digitale Medien verliebt. Nach dem Master dachte ich, wenn man im Mediensektor tätig sein will, dann am besten beim größten Medienkonzern Europas – Bertelsmann. Dort arbeitete ich im Strategiebereich; in diesem fand ich auch meinen Einstieg bei Spotify.
Wie kam es dazu, dass Sie sich auf Podcasts spezialisierten?
2016 kam es im Konzern eines Tages dazu, eine Marktrecherche über Podcasts zu machen. Die Ergebnisse waren eindeutig, und allen wurden die Möglichkeiten von Podcasts klar. Ich dachte mir, dass ich genau in dieses neue, aufstrebende Segment hineinwill, und machte mich als Beraterin für verschiedene Medienunternehmen selbstständig. Außerdem organisierte ich das damals größte deutsche Podcast-Festival mit 1.000 Besuchern. Ich fand das Medium an sich faszinierend, weil man es in allen Lebenslagen hören kann, ob im Auto, beim Kochen oder im Bett. Irgendwann erweiterte Spotify nach und nach sein Engagement in diesem Bereich – und schrieb eine Stelle als „Head of Studios“ aus. Ich war damals bereits im Bereich Strategy & Operations bei Spotify tätig und dachte mir nur: „Das ist es, das will ich unbedingt machen!“ – und wurde genommen.
In der alten Welt der Medien verkauften diese Werbeflächen und versprachen dafür Reichweite – und hatten damit eine Art Monopolstellung. Seitdem Google und Facebook am Markt sind, ist das passé: Die beiden Firmen bieten präzisere und weitreichendere Werbemöglichkeiten als Medien in der Vergangenheit an. Wie verdient man in diesem Sektor kostendeckend Geld, wenn die Preise für Werbung kaum etwas einbringen – außer man erwirtschaftet Millionen von Klicks?
Spotify ist ein Tech-Unternehmen, und aktuell geht es uns vor allem um Wachstum. Wir glauben an das Medium Audio. Die Idee ist, dass wir das, was wir im Musikbereich gelernt haben, auf die Podcastsparte übertragen. Das gesprochene Wort soll neben der Musik unser Schwerpunkt werden. Wir haben 365 Millionen aktive Nutzer weltweit (davon circa 165 Millionen zahlende Premiumkunden, Anm.). Jeder soll wissen, dass es – egal, welche Form von Audio man konsumieren will – bei Spotify das beste Angebot gibt. Uns geht es darum, Kunden an Spotify zu binden, Abonnenten zu gewinnen und Inhalte zu monetarisieren.
Der gravierende Unterschied ist doch, dass Medien in der Vergangenheit Menschen dafür bezahlt haben, dass sie Inhalte für sie erstellen – das ist bei Spotify in dieser Form nicht mehr der Fall. Als Podcaster habe ich keine Einnahmen, wenn ich nicht entsprechende Reichweiten erziele. Wie verdient die gesamte Wertschöpfungskette bis zu den Content Creators Geld? Das ist doch heute nicht der Fall.
Wir schaffen ein Ökosystem. Wir haben mehr als 70.000 deutschsprachige Podcasts, die sich selbst monetarisieren können. Außerdem stellen wir allen Podcastern relativ viele Daten über ihr Publikum zur Verfügung. Diese komplett anonymisierten demografischen, Zugriffs- und Engagementdaten zu ihrem jeweiligen Format können Podcaster an ihre Werbekunden weitergeben und Werbung in ihren Podcasts verkaufen – völlig unabhängig von uns. Wir bieten einen riesigen Marktplatz an, um eine möglichst große Audienz zu finden. Je mehr Reichweite die Podcaster haben, desto besser können sie ihren Podcast monetarisieren. Wir selbst haben „Spotify Original“- und „Spotify Exclusive“-Podcasts, die ausschließlich bei uns erscheinen. Dafür verkaufen wir auch Werbung und erzielen damit Umsätze.
Spotify bietet also die Plattform, die Creators dann zusätzlich noch für sich monetarisieren können? Auch für andere große Medienmarken?
Für uns gilt jeder, der bei uns Podcasts veröffentlicht, als Creator. Podcasts gibt es als Medium seit 2005. Wir investieren in Formate und in das Medium an sich, da wir es auf die nächste Stufe heben wollen. Wir führen zum Beispiel interaktive Tools ein, mit denen Podcaster näher an ihre Zuhörer kommen. Das gab es vorher alles nicht. In den letzten Jahren gab es so gut wie keine Interaktivität und keinen Austausch. Das ändert sich gerade.
Wie darf man sich das vorstellen?
Ähnlich wie Filmproduzenten wollen wir auch unsere eigenen Audioformate produzieren. Netflix hat es geschafft, von Hollywood unabhängig zu werden, indem sie mittlerweile eigene erfolgreiche Filme und Serien produzieren. Auch wir möchten noch mehr eigene Formate anbieten. Wir konnten zum Beispiel Rezo und Julien Bam (beides Content Creators, Anm.) für einen „Spotify Original“-Podcast gewinnen. Solche Persönlichkeiten, die selbst schon Hunderttausende oder sogar Millionen Follower haben, wollen wir ebenfalls zu unserer Plattform holen und mit ihnen zusammenarbeiten.
Wie sieht die Zukunft von Podcasts aus?
Wir wollen das Hörerlebnis einer grundlegenden Innovation unterziehen. Die User sollen sich stärker einbringen können. Man soll zum Beispiel seinem Podcaster Fragen stellen und seine Community auch über Fragen abstimmen lassen können. Wir machen auch Videopodcasts, können Musik und Podcasts miteinander verbinden;
das alles war früher nicht möglich. Das sind spannende Entwicklungen. Es sollen auch Liveaudios möglich werden. Podcasts müssen ein fester Bestandteil der Mediennutzung werden, es muss eine Routine entstehen. Aktuell hören 30 % der Deutschen Podcasts, die Podcast-Nutzung hat sich allein im letzten Jahr verdoppelt.
Saruul Krause-Jentsch
...studierte Business Administration in Berlin und Amsterdam. Ihren gesamten Berufsweg verbrachte sie im Mediensektor. Heute ist sie Head of Studios von Spotify für die DACH-Region.
Wenn wir schon bei den Zahlen sind: Wie haben sich diese in den letzten Jahren entwickelt?
25 % aller Spotify-Nutzer nutzen Podcasts. Die Anzahl der angebotenen Podcasts hat sich im letzten Jahr verdreifacht. Wir hatten im Februar 2020 20.000 Formate, heute sind es über 70.000. Das Angebot ist massiv gestiegen – seit Corona ist hier sehr viel passiert. Selbst Angela Merkel hat in einer Neujahrsansprache zur Pandemie gemeint, die Enkel mögen den Großeltern .doch einen „Podcast aufnehmen“, damit sie sich austauschen können. Das hat gezeigt, dass das Medium es selbst ins Bundeskanzleramt geschafft hat. Damit war klar, dass der Durchbruch gelungen ist.
Was für Podcasts hören Sie denn selbst gerne?
„Hidden Brain“ ist einer meiner Favoriten – ich finde es faszinierend, wie sich das Unterbewusstsein in unser aller Leben auswirkt. „Pivot“ ist ein zweiter Liebling, der sehr gut über die Entwicklungen in amerikanischen Tech-Unternehmen berichtet.
Text: Muamer Bećirović
Fotos: Marlen Stahlhuth
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 8–21 zum Thema „Women“.