Benkos Fall

René Benko ist offiziell kein Milliardär mehr. Der Unternehmer, der 2019 mit einem Vermögen von 5 Mrd. US-$ auf der Forbes Billionaires List debütierte, kam in Folge der Schwierigkeiten in seiner Signa Gruppe unter Druck. Ob und inwiefern Benko sich aus der Situation befreien kann, wird sich zeigen.

Nachdem er über Jahre hinweg ein Vermögen aufgebaut hat, das auf einigen der wertvollsten Immobilien der Welt basiert, ist René Benko offiziell kein Milliardär mehr. Denn sein Unternehmen, die Signa Group, wurde zur größten Insolvenz der österreichischen Geschichte – und weitere könnten folgen.

Ende November meldete die Signa Holding des österreichischen Unternehmers, die über ihre Tochtergesellschaften Anteile an Objekten wie New Yorks Chrysler Building dem Berliner KaDeWe sowie dem Park Hyatt Vienna besitzt, Insolvenz an, denn kurzfristige Finanzmittel zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs blieben aus. Laut dem beim Handelsgericht Wien eingereichten Insolvenzantrag beliefen sich die Verbindlichkeiten der Holding auf 5 Mrd. €, fast das Doppelte der Vermögenswerte in Höhe von von 2,77 Mrd. €.

Aber das ist nur der Anfang. Das Signa-Imperium steht – wie Benko selbst – enorm unter Druck. Steigende Zinsen, geopolitische Krisen und Rekordinflation haben viele Immobilieninvestoren, einschließlich Benko, kämpfen lassen. Aber der 46-Jährige, der sein Portfolio großteils mit Fremdkapital aufbaute und sich durch seinen Charme Zugang zu Europas Elite verschafft hat, scheint ordentlich in Schwierigkeiten zu geraten. Wie ernst die Lage ist, ist nicht ganz klar. Das liegt auch an Signas komplexem, weitgehend undurchsichtigen Netzwerk an Unternehmen und Subunternehmen. Die insolvente Signa Holding allein hat direkte Beteiligungen an 53 Unternehmen und indirekte Beteiligungen an „ein paar Hundert anderen“, wie dem Insolvenzantrag zu entnehmen ist. Es wird geschätzt, dass 390 Unternehmen in Österreich Verbindungen zu Benko und der Signa Holding haben. Laut der Website gibt die Signa-Gruppe insgesamt immer noch an, einen Bruttovermögenswert von 27 Mrd. € zu haben, wobei aber nicht erläutert wird, wie diese Zahl zustande kommt. Die größten Tochtergesellschaften, Signa Prime Selection und Signa Development Selection, haben bisher noch nicht Insolvenz angemeldet, wobei viele Experten aber glauben, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor die beiden nachziehen.

Wiederholte Anrufe bei Benko und den Partnern von Signa wurden nicht beantwortet. Aufgrund der Insolvenz der Signa Holding sowie vieler anderer Anzeichen, dass es nicht gut läuft, hat sich Forbes entschieden, Benko von der Forbes Billionaires List zu nehmen. Signa selbst lehnte es ab, dazu Stellung zu nehmen. Durch verschiedene Vehikel besitzt Benko etwa 66 % der Signa Holding. Zu den weiteren Investoren der Holding gehören der österreichische Geschäftsmann Hans-Peter Haselsteiner, der einmal das größte Bauunternehmen Österreichs, Strabag, leitete und weiterhin ein bedeutender Aktionär ist; Ernst Tanner, Vorsitzender des Aufsichtsrats des schweizerischen Schokoladenherstellers Lindt & Sprüngli; Torsten Toeller, milliardenschwerer Gründer des deutschen Haustierfachhändlers Fressnapf; sowie Eugster/Frismag AG, ein Schweizer Hersteller von Kaffeemaschinen. Die 11,5 % der Stimmrechte von Eugster/Frismag wurden einst von Benko gehalten, doch das Unternehmen hat sich die Kontrolle darüber im November zurückgeholt. Was Signa Prime Selection betrifft, gehören neben Benko auch der deutsche Milliardär Klaus-Michael Kühne mit 10 % sowie die Familie Peugeot aus Frankreich mit einem Anteil von 4,6 % zu den Investoren. Im November reduzierte die Familie Peugeot ihre erwartete Dividende aus ihren Investitionen in Signa Prime und Signa Development um 50 % auf 7,8 Mio. €, nachdem sie von einer „erheblichen Verzögerung beim Erhalt der Dividende“ von Signa berichtet hatte. Signa Prime Selection, die die meisten Luxusimmobilien der Gruppe besitzt und als Benkos „Kronjuwel“ gilt, hatte Ende November eine Schuldenlast von 200 Mio. € zu begleichen; es ist unklar, ob sie dieser Verpflichtung nachkommen konnte.

Für die Entwicklungssparte Signa Development Selection sieht die Situation nicht besser aus. Der Wert ihres Immobilienvermögens ist in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 von 3 Mrd. € auf 2,1 Mrd. € gefallen, wie das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet. Sowohl Signa Prime als auch Signa Development sind noch im Betrieb, aber Marktteilnehmer sind skeptisch, wie und ob diese Tochtergesellschaften weiterhin operieren können, insbesondere vor dem Hintergrund der Insolvenz der Signa Holding.

Dann gibt es da noch das Chrysler-Gebäude, an dem Benko einen Anteil von 33 % hat; die US-Entwickler Aby Rosen und Michael Fuchs von RFR besitzen den Rest. Die Partner befanden sich angeblich in Gesprächen über die Umstrukturierung ihres Mietvertrags mit Cooper Union, der privaten Kunsthochschule, die das Land unter dem Wolkenkratzer besitzt. Diese Gespräche sind nun aufgrund der Probleme bei der Signa Holding ausgesetzt worden. Angesichts der Geschichte der Joint Ventures von Signa ist es wahrscheinlich, dass RFR die Kontrolle über den Wahrzeichen-Turm übernehmen wird. RFR hat nicht auf eine Anfrage für eine Stellungnahme reagiert.

In Europa ist der Bau von Signas Luxusprojekten ebenfalls zum Stillstand gekommen. Auf der Mariahilfer Straße in Wien, der größten Einkaufsstraße Österreichs, sollte Signa ein achtstöckiges Geschäftsgebäude namens „Lamarr“ bauen, benannt nach dem in den 1930er Jahren in Wien geborenen Hollywoodstar Hedy Lamarr. Es versprach über 20.000 Quadratmeter Luxusshopping direkt im Zentrum von Österreichs Hauptstadt. Doch vor wenigen Wochen wurde die Arbeit auf der Baustelle plötzlich eingestellt. Auch an seinem Projekt Elbtower, einem prestigeträchtigen Wolkenkratzer in Hamburg, Deutschland, wurde zur gleichen Zeit die Arbeit eingestellt, weil Signa Zahlungen den Entwickler Lupp nicht leisten konnte, berichtet Reuters.

Einige andere Teile des Imperiums waren bereits zuvor in Schwierigkeiten geraten. Signa Sports United, ein E-Commerce-Unternehmen, das Fahrrad- und Tennismarken besitzt, meldete im Oktober Insolvenz an. Mediaprint, die Österreichs größte Boulevardzeitung Kronen Zeitung und die Broadsheet-Zeitung Kurier besitzt, an der Benko einen Anteil von 25 % hält, soll einem Bericht des österreichischen Standard zufolge für das Geschäftsjahr bis Juni 2023 angeblich einen Nettoverlust verzeichnet haben.

Was Benkos persönliche Vermögenswerte betrifft, so ist ihm vorerst zumindest eine Yacht im Wert von mehr als 39 Mio. € geblieben, wie der Yachtbewertungsexperte VesselsValue berichtet, sowie eine Kunstsammlung mit Werken von Pablo Picasso und Jean-Michel Basquiat. Benko versucht anscheinend, einen Teil seiner Kunstsammlung zu verkaufen, um sein Unternehmen vor dem Untergang zu bewahren. Die Frage ist, ob er diese Vermögenswerte vor den Gläubigern schützen kann und wie lange das gelingen wird.

Es ist eine unerwartete Wendung in der Geschichte eines der strahlendsten Unternehmer der letzten Jahre. In Innsbruck geboren, musste Benko die Schule abbrechen, weil er zu viele Fehlstunden hatte. Mit 17 Jahren begann er, heruntergekommene Dachböden in Innsbruck zu renovieren und sie in Luxuswohnungen umzuwandeln, die er dann mit beträchtlichem Gewinn verkaufte. Im Alter von 22 Jahren gründete Benko das, was heute die Signa Gruppe ist, und verbrachte die nächsten zwei Jahrzehnte damit, sein Immobilienimperium aufzubauen, das heute auch Einzelhandels- und Medienbeteiligungen umfasst. Er debütierte 2019 auf der Forbes-Liste der Milliardäre mit einem Nettowert von fast 5 Mrd. US-$ (4,6 Mrd. €), ist jetzt aber aus dem Ranking gänzlich herausgefallen.

Nach österreichischem Recht bedeutet die Insolvenz der Signa unter „Selbstverwaltung“, dass das Unternehmen seinen Betrieb fortsetzen kann, sofern es einen Restrukturierungsplan abschließt und innerhalb von zwei Jahren 30 % seiner ausstehenden Schulden zahlt. Falls das geschieht, wird Forbes Benkos Vermögen neu bewerten.

Aber dafür muss Benko die Mehrheit der 273 Gläubiger von Signa gewinnen. Die Liste der Beteiligten umfasst den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sowie fast alle großen Banken Österreichs. Ein Sprecher von Sebastian Kurz, von dem ursprünglich auch berichtet worden war, dass die Signa Holding ihm Geld schulde, präzisierte im weiteren Verlauf: Kurz hatte für Signa Lima, eine andere Gesellschaft im Signa-Imperium, gearbeitet – nicht jedoch für die insolvente Holding. Während die Schulden bei den Politiker angeblich in Millionenhöhe liegen, belaufen sich die offenen Kredite von Signa gegenüber österreichischen Banken auf etwa 2,2 Mrd. €. Das inkludiert noch nicht das Exposure, dass andere Signa-Tochtergesellschaften gegenüber Banken haben. Es wird gemunkelt, dass insgesamt 120 Banken Signa Geld geliehen haben, verteilt auf verschiedene Tochtergesellschaften. Die Schweizer Privatbank Julius Bär gibt an, dass die Signa-Gruppe ihr etwa 606 Mio. CHF (640 Mio. €) schuldet. Deutsche Banken, darunter Helaba und BayernLB, haben ebenfalls erklärt, dass ihr Exposure gegenüber Signa im „dreistelligen Millionenbereich“ liegt.

Die Frage, die jetzt über Benkos Imperium schwebt: Wie wertvoll sind die verbleibenden Vermögenswerte im Portfolio von Signa? Und reicht es aus, den Betrieb angesichts der Schulden in verschiedenen Signa-Tochtergesellschaften fortzusetzen? „Das ist die Gretchenfrage, die sich im Moment jeder stellt“, sagt Simon Stippig, Analyst bei Warburg Research.

Sicherlich gibt es laut Stippig Juwele im Portfolio. Dazu gehören das Alsterhaus in Hamburg, das Oberpollinger in München sowie das Goldene Quartier in Wien. Es gibt einige wertvolle Vermögenswerte. Aber können sie diese Vermögenswerte schnell liquidieren? Das wird schwierig, da die aktuelle Stimmung auf dem Markt ist, abzuwarten“, sagt Stippig, der auch spekuliert, dass, wenn die Vermögenswerte billig genug wären, Investoren sich bereits gemeldet hätten oder eine Kapitalspritze erfolgt wäre. „So, wie ich es sehe, passiert das im Moment nicht.“

In Österreich wird die ganze Saga größtenteils mit Schadenfreude aufgenommen. Denn obwohl Benko enge Verbindungen zu Wirtschaftsgrößen und führenden Politikern hatte, insbesondere zum ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (der nach seinem Abschied aus der Politik ebenfalls für die Signa Gruppe tätig war), wird er von der breiteren Bevölkerung größtenteils skeptisch betrachtet. Jetzt müssen die Österreicher abwarten, ob sie recht hatten – oder ob Benko es schafft, all dem nochmal standzuhalten.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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