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Linn Schütze und Leonie Bartsch haben sich mit „True Crime" ein Podcast Imperium aufgebaut – denn ihre True-Crime-Podcasts erreichen monatlich ein Millionen Publikum. Mittlerweile betreiben Schütze und Bartsch aber auch eine erfolgreiche Produktionsfirma für Podcasts und TV. Doch wie groß kann das True-Crime-Phänomen noch werden?
Ein junges Pärchen genießt einen gemeinsamen Abend mit einem romantischen Picknick am See, das Auto haben die beiden einige Hundert Meter weit weg an einer Straße abgestellt. Plötzlich wird die Frau, Cecilia, unruhig – in der Ferne entdeckt sie einen Mann, der das Paar zu beobachten scheint. Sein Gesicht sieht sie nicht, nur dass er sich immer näher auf die beiden zubewegt …
Es sind Szenen wie aus einem Horrorfilm – tatsächlich aber handelt es sich dabei um die Nacherzählung einer Zeugenaussage aus der wahren Mordserie des „Zodiac-Killers“ aus den Jahren 1968 und 1969. Fälle wie dieser, aber auch jene der Serienmörder Jeffrey Dahmer, Dennis Nilsen oder Ted Bundy werden wöchentlich besprochen – im Podcast „Mord auf Ex“. Dahinter stehen die beiden Forbes-„Under 30“-Listmakerinnen Leonie Bartsch und Linn Schütze. Abwechselnd suchen die beiden sich einen neuen Fall aus, den sie der jeweils anderen einmal wöchentlich erzählen. Seit 2019 gibt es den Podcast mittlerweile; heute erreichen Schütze und Bartsch laut eigenen Angaben damit monatlich fast fünf Millionen Hörer. „Dass wir mit ‚Mord auf Ex‘ jemals so viele Menschen erreichen würden, hätte vor vier Jahren noch kaum jemand gedacht“, so Bartsch.
Damals lernten die beiden heutigen Unternehmerinnen einander gerade kennen. Nachdem Leonie Bartsch zuerst BWL und später Philosophie und Literaturwissenschaften in Berlin studierte, zog es sie nach München, wo sie ein Volontariat beim TV-Sender Pro Sieben Sat.1 machte. Dort traf sie Linn Schütze, die nach ihrem Bachelor in Kommunikationswissenschaften sowie Praktika beim Kinder-TV-Sender Kika und beim Fernsehproduktionsunternehmen Maz & More eher zufällig bei Pro Sieben gelandet war. „Eigentlich wollte ich nach meinem Bachelor unbedingt zu ‚Panorama‘ beim NDR, dort flog ich aber schon in der ersten Bewerbungsrunde raus. Das war natürlich damals sehr hart für mich, aber nur deshalb bin ich danach zu Pro Sieben gekommen und habe Leo kennengelernt“, erzählt Schütze und fügt hinzu: „Es ist also doch gut, wie alles gekommen ist.“ Schnell merkten die beiden, dass ihnen die Produktionsarbeit, das Schneiden, aber auch das Kreieren von Formaten am meisten Spaß machte. Sie entschlossen sich, ein eigenes Projekt ins Leben zu rufen.
Auf die Idee für den Podcast „Mord auf Ex“ sind die beiden aufgrund ihrer persönlichen Begeisterung für True-Crime-Storys gekommen. Vor allem Schütze hat 2019 alle möglichen Podcasts gehört, sagt sie: „Ich habe jeden Tag meinen Podcast-Player aktualisiert und gehofft, dass bald ein neuer True-Crime-Podcast auf den Markt kommt. Irgendwann habe ich mir dann gedacht, dass ich wohl nicht die Einzige sein werde, die mehr True-Crime-Geschichten braucht, und deshalb habe ich beschlossen, meinen eigenen Podcast zu starten.“
Bartsch und Schütze begannen, nach der Arbeit Geschichten zu recherchieren, sich ein Konzept für ihren Podcast zu überlegen und die ersten Folgen aufzunehmen. Eine wirkliche Durchbruchfolge gelang den beiden – mittlerweile zu besten Freundinnen geworden – allerdings nicht; auch, weil beide keinerlei Marketingaktivitäten setzten. Am Anfang luden sie die Folgen lediglich auf diversen Plattformen hoch. Schütze: „Irgendwann bekamen wir einen Anruf von unserem damaligen Arbeitgeber Pro Sieben, der uns zu einem Gespräch einlud und uns begeistert unsere Hörerzahlen präsentierte“, so Bartsch. „Das Lustige war eigentlich, dass wir, bevor wir die ersten Folgen auf eigene Faust hochgeladen haben, ‚Mord auf Ex‘ bei der Podcast-Abteilung von Pro Sieben vorgestellt hatten und sich damals fast niemand dafür interessiert hat. Viele haben gemeint, dass das nichts wird und dass es nicht noch einen True-Crime-Podcast braucht. Wir haben sie alle vom Gegenteil überzeugt“, so Schütze lachend.
In die Top Ten der deutschen Podcast-Charts schafften es die beiden dann 2021, nach der Veröffentlichung ihres Investigativ-Podcasts „Die Nachbarn“. Darin erzählten sie den Fall von Andreas Darsow, der wegen des Mordes an einem Nachbarpaar zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Bartsch: „Hier konnten wir uns zum ersten Mal so richtig in einem Fall verlieren, haben Polizeiakten gelesen, Zeugen befragt und den Traum vieler investigativ arbeitender Journalisten gelebt.“ Im Zuge dieser Recherche arbeiteten Bartsch und Schütze gemeinsam mit Pro Sieben an der Fernsehdokumentation „Unschuldig im Gefängnis“. „Der Fall Andreas Darsow ist sicher nicht unser letzter ausführlicher investigativer Fall“, erzählt Schütze. „Wir arbeiten gerade an einem neuen Fall, ähnlich intensiv wie bei Andreas Darsow.“
Interessant ist, dass der Verbrechenspodcast deutlich mehr weibliche als männliche Zuhörer zählt. „Es gibt kaum einen anderen Bereich in der Medienwelt und im Unternehmertum, der so von Frauen dominiert wird wie True Crime“, erläutert Schütze. Dafür gebe es, so die beiden Podcasterinnen, verschiedene Gründe. Bartsch: „True Crime ist ein hochemotionales Genre, da geht es um teilweise sehr persönliche Geschichten, die darüber hinaus extrem spannend sind. Frauen, die übrigens auch die größere Gruppe an Thriller-Leserinnen sind, mögen, denke ich, solche emotionalen Themen lieber als Männer.“ Auch die sogenannte Angstlust und das Dopamin, das dadurch ausgeschüttet wird, spielt laut Bartsch eine große Rolle im Erfolgsrezept von True Crime.
Neben „Mord auf Ex“ (unter den Top Ten der deutschen Podcasts, Stand Dezember 2023) läuft auch der neueste Podcast von Bartsch und Schütze, „True Love“, sehr erfolgreich (Top 20). Mittlerweile betreiben Schütze und Bartsch auch ihr eigenes Podcast- und Medienproduktionsunternehmen namens „Auf Ex Productions“ und haben dort zehn Mitarbeiter. „Unser ganzes Unternehmen ist sehr familiär und persönlich aufgebaut – weil Leo und ich ja nicht nur Geschäftspartnerinnen, sondern auch beste Freundinnen sind“, so Schütze.
Fotos: Valentin Goppel