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Mit den steigenden Verkaufszahlen von Elektroautos und gleichzeitig damit wachsenden Energiekosten sah der Tether-Gründer Luis Medina eine Möglichkeit, beides zu kombinieren, um Strom und Geld zu sparen. Für ihn sind Elektroautos mehr als emissionsfreie Fortbewegungsmittel – sie sind mobile Batterien auf vier Rädern.
Wer ein Elektroauto besitzt, kennt das Szenario: Man kommt am Nachmittag von der Arbeit nach Hause, fährt in die Garage und schliesst sein Elektroauto an die hauseigene Stromversorgung an. Das Auto wird sofort geladen und hat in zwei bis drei Stunden wieder einen voll aufgeladenen Akku.
Doch man ist nicht die einzige Person, die am Nachmittag nach Hause kommt und die Stromversorgung belastet. Zwischen 17 und 21 Uhr kommt es in den meisten Städten zur Spitzenlast, und das liegt nicht nur an Elektroautos, die alle gleichzeitig Strom aus dem Netz ziehen. Fernseher werden eingeschaltet, Wäsche wird gewaschen und das Abendessen wird gekocht
Dabei müssten Elektroautos nicht sofort aufgeladen werden, sondern könnten zu Zeiten Strom ziehen, in denen die Last auf das Netz gering ist. Solange das Auto morgens voll geladen ist, spielt es für den Nutzer keine Rolle, wann das passiert. «Es gibt viele Vorteile, wenn man sein Auto nicht während der Spitzenlast lädt», erklärt Tether-Gründer und Geschäftsführer Luis Medina. «Kurz gesagt, es ist energiefreundlicher und man kann Geld sparen, da Strom während der Spitzenlast meist teurer ist.»
Hier kommt Tether ins Spiel. Das spanische Unternehmen will mit Hilfe einer intelligenten Machine-Learning-Software Elektroautos dafür nutzen, das Stromnetz zu entlassen. «Im Wesentlichen entwickeln wir eine KI, die die Lademuster von Tausenden oder Millionen privater Elektrofahrzeuge erlernt und analysiert, um zu verstehen, wie und wann sie im Verhältnis zueinander laden und was im Stromnetz passiert. Anstatt dass all diese Fahrzeuge unabhängig voneinander laden, können sie durch Koordination wie eine grosse Batterie fungieren. Dies erhöht die Flexibilität des Stromnetzes und ermöglicht den Anschluss von mehr erneuerbaren Energieträgern», erklärt Medina. Dabei soll Tether als «White Label Company» fungieren und in der Software von Elektroautos verankert sein. Die Benutzung dieser smarten Ladetechnologie soll so für den Kunden unsichtbar im Hintergrund laufen.
Der Gründer und Geschäftsführer von Tether, Luis Medina, kennt die Herausforderungen, die nachhaltige Energieträger für das Stromnetz darstellen, aus eigener Erfahrung. Der in Mexiko geborene Medina studierte Elektrotechnik in den USA und legte von Anfang an seinen Fokus auf erneuerbare Energien. Einer seiner ersten Jobs nach dem Studium war bei einem Netzbetreiber in Florida. «Ich war derjenige, der angerufen wurde, wenn irgendwo der Strom ausgefallen ist. So habe ich gelernt, welche Probleme in grossen Stromnetzen auftreten können», erinnert er sich.
Später wechselte Medina zu General Electric, wo er als Ingenieur für Gasturbinen arbeitete. «Ich habe mich dort nicht beworben, weil ich unbedingt mit Gasturbinen arbeiten wollte, sondern weil ich verstehen wollte, wie sie funktionieren. Denn je mehr erneuerbare Energien wir installierten, desto mehr Gaskraftwerke wurden parallel dazu gebaut. Diese konnten ihre Stromproduktion flexibel anpassen, wenn die Sonne nicht schien oder der Wind nicht wehte», so Medina. Gaskraftwerke funktionieren wie Batterien, die Energie von wetterabhängigen erneuerbaren Energieträgern speichern. Eine Tatsache, die Medina ein Dorn im Auge war, da Gaskraftwerke die grünen Energieträger, verständlicherweise, weniger grün machen.
Im Anschluss daran zog Medina nach Schweden und später nach Barcelona, um seinen Master in erneuerbarer Energie zu machen. In Barcelona gründete er 2023 schliesslich auch Tether, um mithilfe von Elektroautos der Energiespeicherung mit Gaskraftwerken ein Ende zu setzen. Denn die Verkaufszahlen von Elektroautos sind über die Jahre enorm gestiegen. So sind in Deutschland, dem EU-Land mit den meisten elektrischen Neuzulassungen, 2024 rund 167.000 Elektroautos neu zugelassen worden. Spanien, das Heimatland von Tether, ist im Ranking zwar nur auf Platz zehn, konnte aber seine Neuzulassungen von 18.000 im Jahr 2023 auf knapp 20.000 im Jahr 2024 (bis jetzt) steigern. Insgesamt stieg der Elektroauto-Anteil bei den Neuzulassungen in ganz Europa von 26 % (2023) auf bis jetzt 31,4 % (2024).
Ein wachsender Markt für das junge spanische Start-up. «Wenn niemand Elektrofahrzeuge kauft, hätten wir ein grosses Problem für unser Geschäft. Zum Glück sehen die Prognosen jedoch positiv aus. Bis 2035 sollen in Europa voraussichtlich 130 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft werden», so Medina. Mit der wachsenden Anzahl an Elektroautos plant der Gründer auch viele weitere Einsatzgebiete der intelligenten Software von Tether. Da Elektroautos 95 % des Tages nicht für Fahrten genutzt werden, will Medina sie in der Garage als Energiespeicher für den eigenen Haushalt nutzen.
«Meine Vision ist, dass die Menschen in fünf Jahren, wenn sie in ihre Garage schauen und ihr geparktes Elektrofahrzeug sehen, sagen werden: ‹Das ist das elektrische Kraftwerk meines Hauses.› Momentan geht es bei uns hauptsächlich um den Ausgleich des Strombedarfs, aber was wäre, wenn das E-Auto noch viel mehr leisten könnte? Es könnte zum Beispiel Strom kaufen, wenn er günstig ist, und ihn verkaufen, wenn er teuer ist. So könnte es tatsächlich passiv Einnahmen für einen generieren», erzählt Medina begeistert.
Noch steckt das vor 20 Monaten gegründete Unternehmen mit sieben Mitarbeitern in den Kinderschuhen, doch Medinas Idee hat länderübergreifend schon viel Aufmerksamkeit generiert. So gewann Tether beim Start Summit in St. Gallen 2024 den «Start Summiteer Award», eine Auszeichnung, die für Medina sehr wichtig war: «Der Sieg beim Start Summit kam sehr unerwartet, aber hat uns bewiesen, dass wir irgendwie auf dem richtigen Weg liegen und die Zukunft der erneuerbaren Energien und der Elektroautos verändern werden können.»
Luis Medina ist in Mexiko geboren und studierte Elektrotechnik und erneuerbare Energien in den USA, Schweden und Spanien. 2023 gründete er Tether in Barcelona. Ein Start-up, das mit einer intelligenten Software den Ladevorgang von Elektroautos optimieren möchte.
Fotos: Tether