AUS DEM WELTALL FEUER LÖSCHEN

Rupert Amann, Florian Mauracher, Björn Stoffers und Thomas Grübler schicken mit ihrem Unternehmen Ororatech spezielle Nanosatelliten in den Orbit – zur Früherkennung und Überwachung von Waldbränden.

In Australien brechen schlagartig Feuer aus, Waldbrände vernichten hektarweise die Natur. Das könnte bald der Vergangenheit angehören, zumindest, wenn es nach Rupert Amann, Florian Mauracher (Foto v. li. n. re.) Thomas Grübler und Björn Stoffers geht. Denn die vier wollen mit ihrem Unternehmen Ororatech eine Art Frühwarn- und Überwachungssystem für Waldbrände bieten. Dafür planen die Unternehmer, 100 Nanosatelliten mit Infrarotsensoren in den Himmel zu schicken. Das Besondere daran: Während große und technologisch komplexe Satelliten pro Stück mehrere Hundert Millionen € kosten, können die kleinen Satelliten von Ororatech alles in allem bereits mit 50 Millionen € finanziert werden.

Doch damit nicht genug: Während Satelliten im geostationären Orbit (ca. in 36.000 km Höhe) fix an einem Punkt über dem Äquator positioniert sind, können sie zwar ständig Bilder von der Erdoberfläche generieren, aufgrund der Entfernung jedoch nur in grober Auflösung. Ororatech will seine 100 Satelliten jedoch im niedrigen Erdorbit (in 400 bis 1.000 km Höhe) fliegen lassen – damit können sie einen Ort auf der Erde mehrfach pro Stunde aufsuchen und detaillierte Bilder liefern, anders als große Satelliten in dieser Höhe, welche üblicherweise nur einmal am Tag einen bestimmten Ort abbilden.

Die Idee dazu entstand an der Technischen Universität München. Vor drei Jahren bauten Grübler, Amann und Mauracher zusammen mit mehr als 120 Studenten am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik im Rahmen des Move-II-Projekts an sogenannten CubeSats, also würfelartigen Satelliten (10 × 10 × 10 cm) mit einem Gewicht von nur knapp 1,2 Kilogramm. Drei Jahre lang arbeiteten die drei an dem Projekt; im Dezember 2018 wurde offiziell gestartet. Mauracher, gelernter Informatiker, war als Entwickler tätig, Amann und Grübler, die Elektrotechnik studiert hatten, sorgten für Stromversorgung und Elektronik. „Das Projekt diente der Technologieentwicklung und Ausbildung von Studenten. Nachdem die Entwicklung des CubeSats abgeschlossen war, wollten wir unser erlerntes Wissen nutzen, um aktuelle Probleme auf unserem Planeten zu lösen“, sagt Amann. So gründeten sie noch vor dem Start des Satelliten im September 2018 zusammen mit Björn Stoffers Ororatech. „Bei OroraTech haben wir auf Basis des MOVE-II CubeSats eine neuartige Satellitenstruktur entwickelt und patentiert. Diese ermöglicht es uns, eine Wärmebildkamera sehr platzsparend unterzubringen. Mit dieser kann der Satellit die Temperaturen der Erdoberfläche messen“, erklärt Mauracher.

Ororatech, Forbes 30 Under 30 2019, Deutschland 2

Rupert Amann (li.) und Thomas Grübler
... studierten Elektrotechnik an der TU München, Florian Mauracher (re.) hat einen Abschluss in Informatik, Björn Stoffers studierte in Berlin Betriebswirtschaftslehre. 2018 gründeten die vier ihr Unternehmen Ororatech mit Sitz in München.

Die zwei zusätzlichen Würfel sind notwendig, weil die CubeSats aufgrund ihrer geringen Größe kaum Platz für Extras neben der grundlegenden Funktionalität bieten. Diese umfassen verschiedene Subsysteme, etwa das Powersystem, das mit Solarzellen Energie erzeugt, den Bordcomputer zur Ausführung von Befehlen, eine Lageregelung für die Ausrichtung der Kameras und verschiedene Funksysteme, über die unter anderem die Daten empfangen werden können. „Zudem muss man bei der Konzeption des Satelliten beachten, dass er sich im Vakuum befindet. Das heißt, die Komponenten werden sehr schnell heiß, weil sie nicht mit Luft gekühlt werden können“, erklärt Amann die technischen Herausforderungen. Wärme spielt für Ororatech generell eine wichtige Rolle: Denn die Feuer, die sich 2018 in Kalifornien und Griechenland, aber auch Schweden und Norwegen ent­wickelten, stellten die betroffenen Regionen vor große Herausforderungen. Damit Einsatzkräfte und Betroffene vor Ort schnell informiert und Schäden durch Waldbrände signifikant reduziert werden können, kann die Ororatech-Lösung eingesetzt werden.

Das Potenzial ist aber noch größer: „Grundsätzlich können wir damit auch Unwetterwarnungen präzisieren oder innerstädtische Hitzeinseln lokalisieren sowie Wasserdampf messen, sprich: Wie viel Wasser nimmt der Boden auf, wie viel gibt er an die Luft ab? Somit kann man herausfinden, wo eine Pflanze gut wächst oder in welcher Region wertvolles Grundwasser verschwendet wird“, sagt Amann. „Anfangs konzentrieren wir uns auf die frühzeitige Waldbranderkennung und -analyse. Andere Anwendungen erfordern weitere Analyseschritte, denen wir uns später zuwenden. Das liegt an den begrenzten Ressourcen, die wir als Startup optimal einsetzen müssen“, ergänzt Mauracher. Das mittlerweile zwanzigköpfige Team um Ororatech arbeitet daran, noch dieses Jahr den ersten Prototyp in den Himmel zu schicken; bis 2024 sollen dann die 100 Cubes in Position gebracht werden.

Auch Investoren interessieren sich bereits für das Weltraum­unternehmen. So konnten in der ersten Finanzierungsrunde ein sechsstelliger Betrag von zwei privaten Investoren gewonnen werden, eine weitere Runde ist noch für 2019 geplant. Durch Fördermittel über die Europäische Union und den Business Incubator der europäischen Weltraumagentur ESA mit Fokus auf Hightech-Start-ups wurden wei­tere Finanzmittel gesammelt.

Das Geschäftsmodell ­basiert auf drei Säulen. Die erste ist ein ­Notification Service: „Über ein Abo können Großwaldbesitzer oder öffentliche Dienste zum Beispiel eine Nachricht auf das Handy bekommen, wenn es brennt. Wir reden auch bereits mit diversen Versicherungen  – diese können die Waldbrandwarnungen in ihr Angebot mit aufnehmen und dadurch Schäden reduzieren“, erklärt Amann. Zweitens: Verkauf der eigenen Daten an öffentliche Institutionen, Behörden oder Programme wie das Copernicus-Programm (Erdbeobachtungsprogramm der EU). Die dritte Säule betrifft andere Unternehmen und Start-ups in den Bereichen Logistik, Transport und erneuerbare Energien, denn auch diese könnten Abnehmer für die wertvollen Daten von Ororatech (und damit Kunden) sein. Was Wettbewerber angeht, gibt sich Ororatech gelassen: „Es gibt viele Start-ups, die sich derzeit mit Satellitenkonstellationen beschäftigen – zum Beispiel SpaceX mit Starlink oder Planet Labs. Nach unseren Informationen beschäftigt sich aber keines davon mit der Aufnahme von Wärmebildern“, meint Amann. Laut den Gründern gehört Ororatech zudem ­neben den beiden US-amerikanischen Marktführern Planet und Spire zum weltweit dritten Unternehmen mit eigener CubeSat-Konstellation. Mit seiner Technologie will Ororatech zum disruptiven Innovationsführer des europäischen „New Space“ werden.

Auf die Frage, was sie tun wollen, sollte ihr Prototyp nicht funktionieren, antwortet Amann: „Natürlich kann es passieren, dass die Rakete, mit der der Satellit in den Orbit transportiert wird, explodiert. Das Risiko besteht immer, dagegen können wir aber eine Versicherung abschließen. Es könnten allerdings auch einzelne Komponenten unseres Satellites ausfallen. Daher fliegt er mit redundanten Systemen, wie etwa einem zusätzlichen Funksystem.“ Denn die leichten CubeSats werden, anders als große Satelliten mit ihren strahlensicheren Komponenten für mehrere Tausend Euro, mit preiswertem Material unter anderem aus der Automobilbranche gebaut. Das sei derzeit ein grundsätzlicher Trend in der Branche, so Amann. Aktuell arbeitet Ororatech gerade fleißig an der Entwicklung des ersten Prototyps – um gegen Ende 2019 schließlich bereit zu sein für die Eroberung des Weltalls.

Rupert Amann, Florian Mauracher und Thomas Grübler sind Mitglieder der Forbes DACH 30 Under 30-Liste 2019. Mehr über Rupert Amann, Florian Mauracher und Thomas Grübler lesen.

Der Artikel ist in unserer Juni-Ausgabe 2019 „30 Unter 30“ erschienen.

Andrea Gläsemann,
Leitende Redakteurin

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