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Um den Hype um das Internet of Things zu verstehen, trafen wir die beiden Cisco-Manager Maciej Kranz und Achim Kaspar zum Gespräch.

Es sei ihm nicht ganz leicht gefallen, das Buch zu schreiben, ohne dass es zu technisch wird, sagt Maciej Kranz, Vice President Strategische Innovationen des IT-Technologiekonzerns Cisco, über sein Erstlingswerk „Building the ­Internet of Things“, einen Bestseller der New York Times, zu Beginn des Gesprächs. Der praktische Leitfaden für Businessentscheider zu Möglichkeiten, IoT im eigenen Unternehmen zu implementieren, scheint den Nerv der Zeit getroffen zu haben. ­Offensichtlich ein Motivationsschub für Kranz – der bereits zwei weitere ­Bücher in Arbeit hat, wie er sagt.

Im 30. Stockwerk des Millennium Tower, dort, wo sich das sogenannte „Holodeck“ – eine beeindruckend große Videowall – des Wiener Cisco-­Büros befindet, ist er aus den USA zugeschaltet. Achim Kaspar, General Manager von Cisco Austria, sitzt auf der anderen Seite des Bildschirms. Beide winken einander vergnügt zu. „Eine ganz normale Arbeitssituation für uns im Haus“, sagt Kaspar. Was nicht weiter verwundert, bringt der Technologieanbieter doch seit 1984 quasi das Internet zum Laufen. Diese zarten Anfänge stehen heute einer an Möglichkeiten nahezu unüberschaubaren Zukunft gegenüber. Untersucht wurde das in einer Cisco-Studie, aus der hervorgeht, dass der globale Datenverkehr bis 2021 drei Zettabyte übersteigen wird. Heißt: 4,6 Milliarden Internetnutzer (heute 3,3 Milliarden) und ein Anstieg des gesamten Datenverkehrs um das Dreifache. M2M-Verbindungen, die das IoT ausmachen, sollen im Jahr 2021 mehr als die Hälfte aller 27,1 Milliarden Geräte und Vernetzungen entsprechen. Ein Wachstum, das von Innovationen im Bereich der Smart Homes, des Gesundheitswesens oder ­intelligenter Autos vorangetrieben werden soll. ­Allein in Westeuropa soll es dann 3,8 Milliarden vernetzte Geräte geben – etwa neun Stück pro Person. Für manche eine bedrückende Vorstellung, dreht sich das Gros der IoT-Diskussionen um die Sicherheit privater Daten. Kranz, der selbst gerne auf Devices wie den „connected“ Kühlschrank verzichtet, schreibt in seinem Handbuch gegen diese potenziell aufkommende Hysterie an, rät aber dazu, in Sachen IoT stets große Visionen zu haben, diese aber in kleinen ­Schritten für sich und seine Unternehmung abzuarbeiten.

Bei IoT geht es primär nicht um Konnektivität, sondern in erster Linie immer um die Daten.

Im Vorwort zu Ihrem Buch schreiben Sie von einem aktuell stattfindenden IoT-Hype, der einen Realitycheck braucht. Wie sieht der aus?
Maciej Kranz: Vor rund sechs Jahren, als dieser Hype begonnen und das Thema an Aufwind gewonnen hat, war das eine gute Sache für uns. Viele hatten das Thema plötzlich auf ihre Landkarten gesetzt. Milliarden Geräte sollten miteinander verbunden werden, ebenso viele Milliarden an Investments sollten in IoT fließen. Insgesamt aber – und das habe ich im Zuge der vielen Gespräche zu meinem Buch bemerkt – entstand dadurch eine etwas verzerrte Optik auf das Thema. Das „Big Picture“, das viele Menschen in ihren Köpfen haben – also ein ­erstes großes Missverständnis –, ist, dass IoT auf die Konsumgüter fokussiert; also intelligente Kühlschränke oder Toaster. Der Fairness halber muss ich aber sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass die disruptivsten IoT-Technologien ­sicher aus diesem Bereich zu ­erwarten sind. Noch sind wir aber nicht so weit. Das zweite große Missverständnis ist, dass es bei IoT nicht primär um Konnektivität geht, ­sondern um die Daten. Es geht immer um das Sammeln von ­Daten und um deren Analyse.

Von einer B2B-Perspektive aus ­betrachtet scheinen ­Unternehmen von den Möglichkeiten des IoT ­regelrecht erschlagen. Von Skepsis bis hin zu Ängsten, den Anschluss zu verlieren, ist alles an Emotionen dabei. Ist das auch ein kulturell bedingtes Phänomen?
Achim Kaspar: Das liegt auch daran, dass IoT, aber auch das ganze Thema der Digitalisierung, immer wieder unterschiedlich interpretiert werden – auch, weil es auf verschiedenen Ebenen ganz unterschiedliche Bedeutung hat. Zuallererst haben sie die kulturelle Note – in der Form, wie Digitalisierung die Gesellschaft, die Bildung usw. beeinflusst. Das ist eine politische Sache. Dann haben sie die Digitalisierung im Sinne der Konnektivität mit der Frage: Wie können wir aktuelle Geschäftsmodelle auf das nächste Level bringen und im Sinne der Industrie 4.0 unser Kerngeschäft weiterentwickeln?

MK: Ich sage immer: Dream big, but start small. Die Technologie ist der einfache Teil, schwierig ist die Transformation des Business. ­Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihr Geschäft jahrzehntelang immer auf die ­gleiche Art betrieben – und dann kommt jemand und spricht über Automatisierung. Es ist alles ein Prozess, der auch Jobs verändern wird, im Sinne von „Ich habe meinen Job seit vielen Jahren und muss daran nichts ändern“ bis hin zu „Ich muss stetig lernen und mich selbst alle paar Jahre wieder neu erfinden“.

Maciej Kranz
Maciej Kranz ist Vice President der Corporate Strategic Innovation Group bei Cisco Systems. Dort führt er eine Gruppe, die sich der Entwicklung neuer Geschäftsfelder – eben auch im Feld des Internet of Things – widmet. Sein Buch „Building the Internet of Things“ steht auf der Bestsellerliste der New York Times.

Abseits des Fokus auf Konsumgüter, den Sie vorhin erwähnten, tut sich vor allem im B2B-Bereich viel. Güter, wie z. B. Öl, werden über lange, vielteilige Wertschöpfungsketten transportiert. Wie komplex ist IoT in den vergangenen fünf Jahren geworden?
AK: Es ist eine Explosion der Komplexität! Und die miteinander in dieser Form verbundenen Teile der Wertschöpfungskette werden exponentiell weiter steigen. Wir haben diese Komplexität allein schon innerhalb der Unternehmen. Dort gibt es Netzwerke, die über die Jahre gewachsen sind – mit unterschiedlichen Verkäufern, Vertreibern, mit unterschiedlichen Sicherheitsprovidern. Wir kommen bei der Analyse der Netzwerke unserer Kunden immer wieder auf versteckte Winkel und Ecken, die sie selbst nicht kannten.

MK: Stimmt, da finden wir oft lustige Sachen; Mitarbeiter, die ihre privaten Router verwenden oder Daten via Datensticks in ihre Systeme einspeisen. Viele unterschätzen die Gefahr des Erbes veralteter Infrastrukturen und auch Gewohnheiten.

Womit wir beim Thema der Daten­sicherheit angelangt wären …
MK: Ich glaube, darin liegt die größte Chance und gleichzeitig die größte Hürde für IoT. Die Service­attacken der letzten Wochen waren ein Weckruf für die Branche – alle Geschäftstätigkeiten sollten im Sinne der Datensicherheit diese Reife erreichen. Früher war noch „­Security by Obscurity“ möglich. Heute nicht mehr. Und auch wenn die Security-Architektur groß ist und auch vielerorts die Sicherheits-Policy, sicher ist man vor Hacks nicht. Es ist immer nur eine Frage des Wann – und nie des Falles. Ich bin froh, dass die Industrien Zertifizierungen in ihre Strukturen bringen.

AK: Ja, denn heute geht es darum, wie schnell Störfälle identifiziert und gelöst werden können. Früher konnte das Monate dauern, heute geht das in Minuten.

KI ist das Gehirn, IoT der Körper. Die Entwicklung beider Bereiche wird Hand in Hand gehen.

Und privat – haben Sie einen intelligenten Kühlschrank?
MK: Nein. Aber ich würde mir einen besorgen. Wenn Sie mich näher kennen würden, würden Sie gar nicht glauben können, dass ich noch keinen habe. Anders als beim B2B-Bereich in der IoT, wo den Beteiligten allen klar ist, was sie bekommen, muss man bei B2C mehr darauf aufmerksam machen, was ich als Privatperson ­dafür hergebe. Hier gibt es noch viele Dinge, die zu tun sind. Es gilt hier, sicherzustellen, dass ich durch Datenanalyse nützliche Informationen an den Konsumenten bringe, ohne ihn aber in seiner Privatsphäre zu kompromittieren. Diese Standards wird es in einem kollaborativen Weg zu erarbeiten gelten.


Wenn Sie auf M2M etwa in der Produktion schauen, wie weit ist das Zusammenspiel zwischen künstlicher Intelligenz und IoT?
MK: Ich sage immer, KI ist das Gehirn, IoT der Körper. Ich glaube, die Entwicklung beider Bereiche wird Hand in Hand gehen. Sie sind jetzt auf einem ähnlichen Level in der Entwicklung. Aktuell sind diese Systeme zentralisiert. Folgt man etwa dem Trend des autonomen Fahrens, werden diese Systeme künftig dezentralisiert sein. IoT wird die Daten liefern und KI wird mit ihnen arbeiten.

Achim Kaspar
Seit 1. April 2008 ist der promovierte Betriebswirt Kasper als General Manager in der Geschäftsführung von Cisco Austria. Von 2002 bis 2007 war Kaspar Alleinvorstand der eTel Austria AG und leitete in dieser Funktion auch das strategische und technische Kompetenzzentrum der eTel Group für Zentraleuropa.

Neben den raschen technologischen Fortschritten bleibt die Bildung und Ausbildung auf diesem Feld deutlich auf der Strecke. Wohin sollte sie aus Ihrer Sicht gehen?
MK: Wir dürfen nicht ­vergessen, dass in zehn bis 20 Jahren jeder Job einen Technologieaspekt bergen wird – von Medizin bis ganz klassisch IoT. Wir müssen uns auf diesem Feld einfach permanent weiterbilden. Unser Cisco-Networking-Academy-Programm etwa ist eine Bildungsinitiative, bei der wir Lernmaterialien für die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien zur Verfügung stellen. Die betreiben wir schon seit 1997 und heute in 165 Ländern.   

AK: Dieses Netzwerk sehen wir – ebenso wie die Kooperationen und Partnerschaften mit Universitäten weltweit – als Teil unseres Jobs. Es braucht maßgeschneiderte, auf die Region abgestimmte Ausbildungen. Mir ist aber auch Folgendes wichtig, zu sagen: Es ist wichtig, zu verstehen, was ein Netzwerk ist, was es ­bedeutet, um es gut für sich nutzen zu können. Wir haben das Problem, dass unser Schulsystem das nötige Wissen über die neuen Technologien nicht weitergibt. Die Kinder kennen Standards in Biologie und Geografie, aber keine in Technologie. Sie lernen zwar, mit dem Office-Paket umzugehen, lernen, wie man einen guten Brief schreibt oder eine Präsentation in PowerPoint macht – Schlüsselelemente der IT-Bildung sind das aber nicht. Es wird kein Wissen darüber vermittelt, die einen Netzwerke besser verstehen lassen. Ich denke, da müssen wir dringend über neue Konzepte nachdenken und auch über neue Standards.

Dieser Artikel ist in unserer Sommer-Ausgabe 2017 „Keep it movin'!“ erschienen.

Heidi Aichinger,
Herausgeberin

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