Aloha aus Mannheim

Das deutsche Schmuck-Start-up Purelei erzielte mit einer treuen Community, die über Events und Umfragen zusammengeschweißt wird, vergangenes Jahr mehr als 50 Mio. € Umsatz. In drei Jahren – also zehn Jahre nachdem Alisa Jahnke ihr Unternehmen mit einem Startkapital von 500 € startete – soll Purelei die 100-Mio.-€-Grenze knacken.

„Aloha! Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, wollen wir unbedingt, dass ihr die Community-Reise mitbestimmt. Stimmt deshalb auf jeden Fall über die Aktivitäten ab, die unsere glücklichen Gewinnerinnen auf Hawaii erleben sollen!“ So klingen viele der Social-Media-Posts von ­Purelei – das Start-up möchte die sonnigen Strandgefühle von Hawaii nach Deutschland bringen. Bei Purelei handelt es sich jedoch nicht um ein Reisebüro, sondern um ein Schmuck­unternehmen; genau genommen um die laut eigenen Angaben größte D2C-Schmuckmarke Deutschlands.

Alisa Jahnke ist das Gesicht dieser Marke, die auf Instagram, Facebook und Tiktok insgesamt 1,2 Millionen Follower zählt. Dazu kommen die Fans der drei Gründer – neben Alisa Jahnke sind das ihr Mann Frederik Jahnke und Etienne Espenner – sowie die Fans von Influencern wie der deutschen Sängerin Vanessa Mai (2,6 Mil­lionen Follower auf Instagram und Tiktok). Sie alle machen Werbung für die Edelsteinketten, -arm­bänder sowie -ringe – und seit Kurzem auch für Pflegeprodukte unter dem Label Purelei Beauty.

2021 verzeichnete das damals fünf Jahre alte Unternehmen, das bis heute ganz ohne Investoren oder Kredite gewachsen ist, einen Umsatz von 40,7 Mio. € und das Ergebnis nach Steuern betrug rund zwei Mio. €. Im Jahr darauf stieg der Umsatz auf 53 Mio. € (diese Zahlen gehen aus dem Jahresabschluss des Unter­nehmens und Medienberichten hervor, Purelei wollte sich auf Nachfrage dazu nicht äußern). Dieses Jahr wird das Unternehmen laut Gründerin Alisa Jahnke rund 60 Mio. € an Umsatz einfahren. Fast alles davon wird über den eigenen Onlineshop hereingespielt.

Das Erfolgsrezept? „Uns war es von Anfang an wichtig, eine enge Community aufzubauen“, sagt Alisa Jahnke. Diese Community – die durch Events gefestigt, ein Abo-System eingebunden und in eine Villa auf Hawaii eingeladen wird – soll das Unternehmen in den nächsten drei Jahren über die 100-Mio.-€-Umsatzgrenze befördern.

Für die Gründungsgeschichte holt Jahnke in ihren Erzählungen etwas weiter aus: „Nach meinem Abitur im Jahr 2012 war ich zum ersten Mal mit einer Freundin auf Hawaii“, erzählt sie. „Mir war schon damals klar, dass das auf keinen Fall mein letzter Besuch der Inseln sein wird.“ Es folgten ein Auslandssemester in der Hauptstadt Honolulu und mehrere Urlaube auf Hawaii – ­dabei wurde viel Schmuck für Jahnkes privaten Gebrauch gekauft.

2016 schloss Jahnke ihr BWL-Studium ab. Im selben Jahr lernte sie ihren heutigen Mann und Geschäftspartner Frederik Jahnke kennen, der damals mit Etienne Espenner bereits ein E-Commerce-Unternehmen aufgebaut hatte und unter dem Markennamen Mr Straps Handy­hüllen verkaufte. Jahnke erinnert sich: „Am Anfang hat mich Frederik oft angerufen und gefragt: ‚Hey Alisa, wir haben viele Bestellungen bekommen, kannst du uns bitte beim Verpacken helfen?‘“ – bis Jahnke eines Tages vorschlug, eine Schmuckmarke aufzubauen, die von Hawaii inspiriert ist, und die Schmuckstücke online zu verkaufen.

Espenner und Frederik Jahnke konnten ihre Erfahrungen von Mr Straps mitnehmen und bauten einen eigenen Purelei-Shop auf. Alisa Jahnke „war das Gesicht der Marke und brachte das Storytelling von Hawaii mit“, wie die Deutsche sagt: „Wir haben mit 500 € gestartet und uns drei Monate Zeit gegeben – und geschaut, wohin der Versuch geht.“ Sein erstes Umsatzziel ver­­fehlte das Trio zwar, doch die Gründer merkten, so Jahnke, dass die Käufer zufrieden waren und mehrmals kauften – also beschlossen sie, ­weiter­zumachen.

Während Espenner und Frederik Jahnke ihre Zeit zwischen Purelei und Mr Straps aufteilten, ging die damals 24-jährige Alisa Jahnke in Boutiquen und Schmuckgeschäften Klinken putzen – persönlich in Mannheim, wo das Unternehmen auch heute noch beheimatet ist, aber auch telefonisch in ganz Deutschland. Nach einem Jahr war die Marke in rund 300 Läden in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu finden. 2018 hörten die beiden „Jungs“ mit Mr Straps auf und widmeten sich komplett dem Schmuckunternehmen. Frederik Jahnke ist als Head of Innovation für neue Produkte zuständig, Espenner leitet als CEO das Team von insgesamt 160 Mitarbeitern. Alisa Jahnke ist nach wie vor für das Branding zu­ständig – und das Gesicht von Purelei.

Seit der ersten Bestellung kommt der Schmuck aus China. „Wir verkaufen Edelstahlschmuck, weil dieser sehr langlebig und trotzdem relativ günstig ist – er wird hauptsächlich in China gefertigt“, so Jahnke. Zwar plant das Unternehmen, die Produktion eines Tages nach Europa zu bringen, doch konkrete Pläne dafür kann Jahnke noch nicht nennen. Sie fügt aber hinzu, dass bereits Anfang 2024 eine Echtschmuck-Kollektion von Purelei erscheinen soll, für die das Team mit Lieferanten aus Deutschland und Italien in Kontakt ist.

Die meisten Schmuckstücke kosten zwischen 35 € und 49 €. Dass das erfolgreichste Produkt aber ein Schmuck-Abonnement ist, zeigt, wie wichtig wiederkehrende Käufer sind: Um etwas unter 29,90 € pro Monat (zahlt man gleich für mehrere Monate, gibt es Rabatte) bekommen Mitglieder des „Mahina Clubs“ monatlich Schmuck im Wert von insgesamt 70 € zugeschickt. Mitglieder erhalten darüber hinaus eine Vorschau der Produkte und können sich für verschiedene Farben entscheiden, in denen die Schmuckstücke geliefert werden.

Der Mahina Club dreht sich aber um mehr als die Produkte. „Es geht sehr viel um Story­telling“, so Jahnke. „Wir stehen in engem Austausch mit unserer Mahina-Club-Community und bringen regelmäßig besondere Editionen unserer Schmuckstücke heraus, die von der Community mitdesignt werden. Oft erscheinen Mitglieder des Clubs in unseren Social-Media-Posts.“

Doch auch Purelei-Fans, die kein Schmuck-Abo haben, können das Gründertrio kennen­lernen – oft veranstaltet Purelei Events, auf denen es neben Gewinnspielen und „Aloha-­Vibes“ auch Umfragen zu zukünftigen Produkten gibt. Jahn­ke: „Wenn es um das Produkt geht, orientieren wir uns sehr stark an der Community. Vor einigen Wochen war ich deshalb auch mit zwölf Kundinnen zu Abend essen.“ Rund 200 Anfragen gab es für das Dinner, das Jahnke zuvor auf ihrem Instagram-Account angekündigt hatte. Die glücklichen Gewinnerinnen wurden zufällig ausgewählt. „Wir haben zwar sehr gute Daten über unsere Kunden – doch so kann ich sehen, wer diese Menschen wirklich sind“, so Jahnke.

Seit 2022 mietet Purelei eine Villa auf Hawaii. Dort wird für die verschiedenen Social-Media-Kanäle gedreht sowie für Produktfotos geshootet. „Ich war im Juli dort und habe vier Kampagnen produziert“, erzählt Jahnke. Und: „Wir hatten auch ein Event für unsere Influencer-Partnerinnen und im Oktober wird es eine Community-Reise dorthin geben.“ Ähnlich wie für das Abendessen wurden dafür auf Instagram vier Personen zufällig ausgewählt, die in der Villa wohnen und die Insel erkunden dürfen. Die Videocalls, in denen die Gewinnerinnen kontaktiert wurden, dienen gleichzeitig als Social-Media-­Werbung und konnten in den ersten Tagen Hun­derte Likes einfahren.

Uns war es von Anfang an wichtig, eine enge Community aufzubauen.

Alisa Jahnke, Gründerin Purelei

Aktuell sind Pureleis Kundinnen „im Alter von 25 bis 45 Jahren“, so Jahnke, doch das könnte sich bereits nächstes Jahr ändern. „Viele Menschen wollen den Schmuck angreifen und anprobieren, bevor sie ihn kaufen“, sagt die Deutsche – solche Menschen, die laut der Gründerin älter als ihre Online-Stammkunden sind, kann man mit einem reinen Onlineangebot nur schwer erreichen. Deshalb soll ein eigener Purelei-Shop eröffnen. Wo dieser entstehen soll, kann Jahnke noch nicht sagen, doch er soll „den Schmuck erlebbar machen“, sagt sie. „Wir sind in Deutschland die bekannteste D2C-Schmuck­marke und haben bereits eine starke Online-Community. Doch aufgrund der Natur eines Onlineshops sind viele unserer Kundinnen anonym. Wir wollen mit diesen Menschen enger in Kontakt treten und einen coolen Store auf­bauen, in dem unsere Kundinnen in die Welt von Purelei eintauchen können.“ Die Eröffnung eines Purelei-Geschäfts soll mit einer stärkeren Prä­senz im Großhandel einhergehen.

Zudem plant Purelei für die nächsten Jahre eine internationale Expansion des Geschäfts. Man war zwar bereits vor einigen Jahren in Frankreich und Italien aktiv, doch letztes Jahr beschloss das Gründertrio, die Aktivitäten außerhalb des DACH-Raums herunterzufahren, um die Profitabilität nicht zu gefährden. Investoren (mit deren Hilfe und Kapital die Internationalisierung vielleicht schneller möglich gewesen wäre) wollte man nicht mit an Bord holen. „Wir konnten von Anfang an unsere eigenen Entscheidungen treffen und sind sehr dankbar dafür. Sobald Investoren an Bord kommen, verlieren wir ein Stück dieser Unabhängigkeit“, erklärt die Gründerin das organische Wachstum, relativiert aber: „Externes Kapital ist für uns nicht negativ behaftet, aber wir waren bisher zu keinem Zeitpunkt gezwungen, etwa einen Kredit ­aufzunehmen. Wir haben mit unserem Geld immer so gewirtschaftet, dass wir unsere Inves­titionen ohne externe Geldgeber tätigen konnten. Und wir hatten noch nie das Gefühl, dass uns eine Chance entgeht, wenn wir nicht sofort ­investieren.“

Purelei liegt also noch ganz in den Händen der Gründer, die sich die Anteile gleichmäßig aufteilen und Kaufangebote bisher abgelehnt haben. Jahnke schließt einen Verkauf des Unternehmens in Zukunft zwar nicht aus, doch sie sagt: „Purelei ist mein erstes Baby (mittlerweile hat sie zwei weitere, nämlich echte Kinder, Anm.), das wird sich auch nicht ändern. Und es war immer mein Wunsch, eine internationale Schmuckmarke aufzubauen, deren Reichweite auch über Europa hinausgeht.“

Ihre eigene Chefin zu sein – und dass es ihre Gesundheit zugelassen hat – machte es für Jahnke einfacher, ihre Karriere mit ihrer Familie zu verbinden. „Sobald ich schwanger wurde, war mir klar: Ich arbeite wahrscheinlich bis zu dem Tag, an dem mein Kind geboren wird, und sobald ich wieder fit bin, gehe ich wieder ins Büro – und mein Kind kommt mit“, so Jahnke, die regel­mäßig Vorträge dazu gibt, wie sie ihre Arbeit und ihre Familie unter einen Hut bringt. Und tatsächlich: Während des Videocalls für unser Interview mit der Gründerin kommt ihr Sohn in den Raum. Jahnke verschwindet kurz vom Bildschirm, im Hintergrund hört man sie mit ihrem Sohn sprechen. Nach ein paar Sekunden wendet sie sich schmunzelnd wieder an uns: „Ihr wolltet ja über das Thema Kind und Karriere sprechen …“

Alisa Jahnke studierte Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. 2016 gründete sie gemeinsam mit ihrem heutigen Mann Frederik Jahnke und Etienne Espenner Purelei. Die Deutsche ist Mitgründerin des Schmuck-Start-ups und das Gesicht der gleichnamigen Marke.

Text: Erik Fleischmann
Fotos: beigestellt
Infografik: Valentin Berger, Emin Hamdi

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