A MAN, A CAN,
A PLAN

John Hayes, CEO des Verpackungsherstellers Ball, verzichtet auf Glas und Kunststoff. Ist er verrückt – oder nur seiner Zeit voraus?

In der elf Hektar großen ­Fabrik in Golden, Colorado, ragen unzählige Stapel mehrfarbiger leerer Dosen bis zu 15 Meter in die Höhe. Alle paar Minuten fährt ein Gabelstapler vorbei, um die künftigen Behälter von Arizona-Eistee, Mineralwasser und Stem-Rosé-Cider abzuholen. Täglich werden hier sechs Millionen Dosenböden hergestellt und zusammen mit der Ummantelung an Getränkehersteller verschickt. Alles besteht aus Aluminium. Die Ball ­Corporation hat sich in den 1880er-Jahren mit Einmachdosen aus Glas einen ­Namen gemacht und über die Jahre alle möglichen Glas- und Kunststoff­behälter entwickelt. John Hayes, CEO von Ball, hat diesen beiden Materialien nun abgeschworen. Abgesehen von einigen Luft- und Raumfahrtaufträgen für die US-Regierung erwirtschaftet Ball seine ­Umsätze von 11,6 Milliarden US-$ aus dem Verkauf von Aluminiumbehältern – hauptsächlich für Bier, Soda und andere Getränke, zusammen mit ­weiteren Geschäften mit Aluminium-­Aerosoldosen und ­Aluminiumbutzen (Bauteile, die zu Dosen, Tuben, Flaschen und Ähnlichem weiterverarbeitet werden, Anm.) für andere ­Dosenhersteller.

John Hayes
... absolvierte Studien an der Colgate University (BA) und der Northwestern (MBA). 1993 kam er zu Lehman Brothers und arbeitete im Büro für Fusionen und Akquisitionen. Einer seiner ersten Kunden war Ball Corporation, ein 1880 gegründeter Mischkonzern. Hayes verließ Lehman im Jahr 1999 und arbeitete ab diesem Zeitpunkt in der Unternehmensplanung am neuen Hauptsitz von Ball in Broomfield, Colorado. Bis 2006 ver­antwortete Hayes das Europageschäft von Ball, fünf Jahre später übernahm er die Leitung des Unternehmens als CEO. Ball erzielt seine Umsätze (11,6 Milliarden US-$) heute hauptsächlich mit dem Verkauf von Aluminiumbehältern.

Das Risiko des Geschäfts

Ist es nicht ein wenig riskant, ­alles auf Metall zu setzen, wenn der Großteil des Getränkebehältermarktes noch immer von Glas und Kunststoff dominiert wird? Womöglich. Aber bisher zahlt sich ­diese ­Wette aus. Chip Dillon von ­Vertical Research Partners erwartet, dass der Gewinn von Ball (bereinigt um Akquisitionen und andere Faktoren) in ­diesem Jahr um 13 % auf 876 Millionen US-$ ansteigen wird. Seit ­Hayes das Unternehmen im Jahr 2011 übernommen hat, hat sich der Aktienmarkt verdoppelt – die Aktien von Ball haben sich verdreifacht. „In meinen 20 Jahren im Unternehmen habe ich noch nie solche ­Wachstumsraten gesehen“, sagt Hayes. Ball hat in ­seinen 139 Jahren 46 ­verschiedene Geschäftsfelder ausprobiert und ist dreimal in das Kunststoffgeschäft ein- und dann wieder ausgestiegen. Hayes ist zuversichtlich, dass Aluminium das nächste große Ding wird.

Hayes, 53, kann Abschlüsse an der Colgate University (BA) und der Northwestern University (MBA) vorweisen und trat 1993 in das Mergers-&-Acquisitions-Büro von Lehman Brothers ein. Er half Ball, einem ­seiner ersten Kunden, das ­stagnierende Glasgeschäft zu verlassen. Vier ­Jahre später fuhr Hayes mit ­einem Jetski im Westen Pennsylvanias, als ihn die Heckwelle eines vorbeifahrenden Boots erwischte und er die Kon­trolle verlor. Es endete damit, dass er sich einer Reihe von ­Gesichtsrekonstruktionen und Knochentransplantationen unterziehen ­musste. Anschließend verbrachte er zwei Monate in Chicago, um sich zu erholen. Und wer kam ihn besuchen? Nicht ein einziger Leh­man-Kollege. Es war David Hoover, CFO von Ball, der extra vier Stunden von ­Muncie, Indiana, zu ihm gefahren war. „Es war ein Wendepunkt für mich“, sagt Hayes, während seine ­Stimme bricht. „Ich werde deswegen ­immer noch ein wenig emotional. Es war einer dieser Aha-Momente.“ Ein paar Monate später kündigte Hayes bei Lehman – und 1999 bot Hoover Hayes einen Job in der Unternehmens­planung im neuen Ball-Hauptsitz in Broomfield, Colorado, an. Bis 2006 verantwortete Hayes das Europa­geschäft von Ball, fünf Jahre später leitete er das gesamte Unternehmen.

Verpackung pro Zielgruppe

Mit 130 Milliarden Flaschen pro Jahr sind in den USA nur halb so viele Flaschen aus Plastik wie aus Aluminium. Glas gewinnt bei teureren Getränken – es wird noch lange dauern, bis man Château d’Yquem in einem Sechserpack sieht. Es scheint jedoch, dass die Geschichte zugunsten von Ball verläuft. Im Jahr 2014 entschieden sich laut einer Studie des Marketing-Beratungsunternehmens IRI 32 % aller neuen Getränke­unternehmen für Dosen – 2018 stieg diese Zahl auf 61 %. ­Aluminium hat aus ökologischen Gründen die Oberhand: Bei den Getränkeverpackungen liegt die Recyclingquote in den USA bei 50 % für Aluminium, 42 % für Glas und 30 % für Kunststoff. „Die gesamte Nachhaltigkeitsagenda beschleunigt sich nur noch“, sagt Hayes. „Ich würde gerne sagen, dass es wegen uns ist. Aber das ist es nicht. Wir versuchen, die aktuelle Situation zu nutzen, indem wir unseren Kunden dabei helfen, das zu liefern, was der Verbraucher will.“

Zumindest bei jüngeren Konsumenten sind Dosen beliebt. Millennials wuchsen mit Red Bull (einem Ball-Kunden) auf und liebten das schlanke Design der Dose. Sie ­ersetzen die Babyboomer, die in den 70er- und 80er-Jahren auf Glas- und Plastikflaschen setzten, weil „die Dose“, sagt Hayes, „die Verpackung der Eltern war. Das war alt, müde und langweilig.“ Jetzt können Dosen LaCroix-Mineralwasser (von National Beverage, einem weiteren Ball-Kunden) und neuartige Getränke wie Truly (von Boston Beer) enthalten. Doch was ist mit dem Eindruck, dass Dosen Getränken einen metallischen Geschmack ­verleihen (trotz einer Beschichtung mit Epoxid oder Polymer auf dem Aluminium)? Ein Geschmackstest der Akademiker Andrew Barnett, Carlos Velasco und Charles Spence vom Getränkehersteller Barney’s Beer, der BI Norwegian Business School und der Universität Oxford fand vor drei Jahren heraus, dass Trinker darauf bestanden, dass Flaschenbier besser schmeckte als Dosenbier – zumindest, wenn sie sahen, wie das ­Getränk ausgeschenkt wurde. Doch wenn man den Test mit den Trinkern blind durchführte, konnten die meisten von ihnen die Getränke nicht voneinander unterscheiden.

Produktion von Primäraluminium in den USA
(in tausend Tonnen)

 

(Quellen: Aluminium Association, International Aluminium
Institute, U.S. Geological Survey)

 

Unternehmenskennzahlen Ball Corporation

 

(Quelle: Ball Corporation)

Ball will diesem ­Vorurteil nun den Kampf ansagen. Im Jahr 2002 überzeugte das Unternehmen die Brauerei Oskar Blues in Colorado, ein neues helles Bier in Dosen zu füllen. Heute nimmt Ball 70 % am wachsenden Anteil von Aluminiumdosen am Craft-Beer-Markt ein.

Hayes erwartet einen Siegeszug von Aluminium bei ­verpackten Getränken, doch er plant auch bereits sein nächstes Vorhaben. Er zeigt ­einen Prototyp eines Aluminiumbechers, der mit dem Schriftzug von Ball gekennzeichnet ist. ­Hayes hofft, dass dieser recycelbare Becher die beliebten roten Plastik­becher der Marke Solo ersetzen wird. Jene ­Millennials, die gerade damit beschäftigt sind, Plastikstrohhalme
und -taschen zu verbieten, könnten sich in Zukunft auch einfach dafür entscheiden.

Text: Kristin Stoller / Forbes US
Foto: Tim Pannell / Forbes US

Der Artikel ist in unserer Juli/August-Ausgabe 2019 „Smart Cities“ erschienen.

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