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Innovationsdrang und Forschergeist haben die Menschheit aus den Höhlen der Urzeit bis in den Weltraum gebracht. Firmen, die im Bereich Forschung und Entwicklung besonders aktiv sind, sind immer auch ein Gewinn für Investoren.
Als Ötzi sich mühsam über die Alpen zu seiner letzten Ruhestätte geschleppt hat, hätte er wahrscheinlich in seinen wildesten Träumen nicht daran gedacht, dass einige Tausend Jahre später der Himmel über ihm voll mit fliegenden Objekten in den verschiedensten Höhen sein wird. Möglich gemacht hat dies der Wissensdurst der Menschheit – von den alten Ägyptern über die Alchemisten des 17. und 18. Jahrhunderts bis zu den Hightech-Laboren des dritten Jahrtausends. Alle Entdeckungen, von denen wir heute profitieren, sind Ergebnisse davon – oder auch des Zufalls, wie zum Beispiel Penicillin. In der Neuzeit waren und sind Unternehmen, die einen Gutteil ihrer Erlöse in Innovation, Forschung und Entwicklung – die letzteren beiden Begriffe werden im Fachsprech mit F&E abgekürzt – stecken, den anderen, die darauf verzichten, deutlich überlegen.
In europäischen Ländern hat sich hier einiges getan, wie das European Innovation Scoreboard zeigt: Während Schweden die Anteile über Jahre konstant auf hohem Niveau halten konnte, konnten Unternehmen in Deutschland, Österreich und vor allem in der Schweiz ihre F&E-Ausgaben im Vergleich zum Umsatz deutlich erhöhen. In Finnland und in Frankreich haben sich die Anteile von einem ehemals relativ hohen Niveau tendenziell verringert. Lediglich Italien zeigt auf niedrigem Niveau nur geringe Veränderungen über die Zeit.
Ein Vergleich von Unternehmen mit zumindest einer Patentanmeldung im Vorjahr und Firmen ohne eine solche endet jedenfalls eindeutig: Aktien von Unternehmen ohne Patentanmeldungen kamen seit Anfang 1990 auf eine jährliche Performance von 8,5 %, während die innovativen Konzerne im Schnitt um 12,3 % zulegten, wie eine Studie des US-Vermögensverwalters O’Shaughnessy Asset Management beweist.
Die „Patentanmelder“ haben damit auch den Gesamtmarkt hinter sich gelassen, der gemessen am S&P 500 Ex-Financials im Analysezeitraum auf eine annualisierte Rendite von 10,2 % kam. Zu den Unternehmen, die hier in der ersten Reihe mitspielen, gehört BMW: Der deutsche Traditions-Autobauer geht die Transformation der Automobilindustrie mit großer Zuversicht an und investiert umfassend in Forschung und Entwicklung. BMW plant, bis 2025 über 30 Milliarden € für Technologien der Zukunft in die Hand zu nehmen. Mit seinen Ausgaben in diesem Bereich liegt der Konzern damit in Deutschland auf Platz vier hinter Volkswagen,
Daimler und Siemens.
1916 unter dem Namen Bayerische Flugzeugwerke gegründet gehören die Münchner heute zu den umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands und lieferten zuletzt einen Gewinn von 3,9 Mrd. € und ein Ebit von 4,83 Mrd. € ab. Der 120.000 Mitarbeiter starke Konzern setzt voll auf Elektromobilität – dazu hat BMW eben in den USA eine aufsehenerregende TV-Kampagne mit Arnold Schwarzenegger als Zeus und Salma Hayek als Hera gestartet. Diese Linie wird konsequent umgesetzt, auch das Flaggschiff, der 7er, kommt in der nächsten Version voll elektrisch.
Den Aktionären gefällt die Richtung, in die BMW steuert: Der Anteilsschein stieg von rund 40 € im März 2020 auf 95 € im heurigen Jänner. Der Ukraine-Krieg brachte dann – wie allen europäischen Aktien – einen herben Absturz: Die Bayern waren wie viele Autohersteller besonders betroffen und mussten die Produktion im größten europäischen Werk Dingolfing unterbrechen, weil BMW in der Ukraine Kabelstränge produziert, die nun nicht geliefert werden.
Unmittelbar vor der Krise hatte die Schweizer Bank Credit Suisse die Bewertung von BMW bei einem Kursziel von 127 € mit „Outperform“ aufgenommen. Die Autobranche setze ihren massiven Wandel fort, was sich gerade in Europa an den Umsätzen von Elektro- und Plug-in-Fahrzeugen zeige. Das Analysehaus Jefferies hatte die Einstufung für BMW nach Abschluss der geplanten Mehrheitsübernahme des chinesischen Gemeinschaftsunternehmens BMW Brilliance Automotive (BBA) auf „Buy“ (mit einem Kursziel von 125 €) belassen. Nach der Theorie von Carl Mayer von Rothschild – „Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen“ – sollten Anleger die Bayern im Auge behalten.
Ebenso, wenn man so will, im Transportgewerbe tätig ist Virgin Galactic – allerdings nicht im horizontalen, sondern im vertikalen. Das US-Unternehmen wurde 2004 vom britischen Unternehmer Richard Branson und dem US-amerikanischen Ingenieur Burt Rutan mit dem Ziel gegründet, suborbitale Raumflüge für Weltraumtouristen anzubieten. Das Hauptquartier und das Kontrollzentrum von Virgin Galactic wurden in Las Cruces in New Mexico eingerichtet; zuletzt machten rund 800 Mitarbeiter bescheidene 240.000 US-$ Umsatz.
2021 hob Virgin Galactic nach einigen Testflügen ins All erstmals mit kompletter Mannschaft ab: Die „VSS Unity“ stieg mit Richard Branson und weiteren vier Personen nach dem Start (ebenfalls in New Mexico) auf eine Höhe von über 80 Kilometern und landete nach einem wenige Minuten dauernden Weltraumausflug. Nach dem Erfolg bietet man nun Weltraumflüge ab 450.000 US-$ pro Sitz an. Die Aktie lag bei Redaktionsschluss bei einem Kurs von rund 7 € leicht im Aufwind, ist aber von ihrem Höchststand von mehr als 11 € noch weit entfernt. „Der sehr spekulative Titel eignet sich weiterhin nur für sehr risikofreudige Anleger. Der Stopp bei 7,40 US-$ sollte unbedingt beachtet werden, denn man greift hier eigentlich in das fallende Messer“, meint Bernd Senkowski von Godmode-Trader.
Von einer ganz anderen Qualität, auch was die Umsätze angeht, ist hier die deutsche Bayer AG: 1863 in Barmen im heutigen Wuppertal von Friedrich Bayer und Johann Friedrich Weskott unter dem Namen „Friedr. Bayer et comp.“ gegründet macht der Chemie- und Pharmakonzern heute mit Sitz in Leverkusen und insgesamt rund 99.500 Mitarbeitern weltweit mehr als 44 Mrd. € Umsatz; das ist ein Plus von 6,5 % zum Jahr davor. Hauptgrund für den Zuwachs war die gestiegene Nachfrage nach Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Auch mit verschreibungspflichtigen Medikamenten wie dem Augenmittel Eylea und frei verkäuflichen Präparaten wurde mehr Geschäft gemacht. Die Mehrheit der Analysten hebt bei Bayer den Daumen: So hat die US-Investmentbank Goldman Sachs die Leverkusener in einer Studie nach Quartalszahlen und nach der Ukraine-Invasion auf „Buy“ (mit einem Kursziel von 76 €) belassen. Sowohl der Umsatz als auch das Ergebnis je Aktie der Leverkusener hätten dank des guten Agrarchemiegeschäfts die Erwartungen übertroffen, sagte Analyst Keyur Parekh. Auch der Ausblick auf 2022 überrasche positiv. Die Aktie war vom Ukraine-Konflikt bisher nur wenig betroffen und notierte zuletzt bei knapp unter 50 €.
Die Schweizer Großbank UBS sieht sogar noch mehr Luft nach oben und hat die Einstufung für Bayer auf „Buy“ (mit einem Kursziel von 85 €) belassen. Analyst Michael Leuchten konstatierte in einer ersten Reaktion eine überraschend starke Umsatzentwicklung im vierten Quartal über alle Geschäftsbereiche hinweg.
Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–22 zum Thema „Innovation & Forschung“.