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Der Wiener Rechtsanwalt Ewald Oberhammer hat schon Tausende Verfahren im Bereich Fremdenrecht und Ausländerbeschäftigung betreut und gemerkt: Von der Dokumentensammlung bis hin zum Compliance-Monitoring wird vieles immer noch händisch gemacht. So entschloss sich Oberhammer im Jahr 2014, den Bereich zu digitalisieren, und stellte das Legal-Tech-Tool COMIC auf die Beine.
Jährlich kommen Tausende Drittstaatsangehörige und EU-Ausländer nach Österreich, um für internationale Konzerne zu arbeiten. Das kann für eine Stunde, einen Tag, ein halbes Jahr oder auch mehrere Jahre sein, eine Tatsache bleibt aber immer gleich: Unternehmen müssen sich an strenge Dokumentationspflichten halten. Wenn man Personen zum Arbeiten nach Österreich entsendet, fängt der bürokratische Prozess bei der Einreichung für eine Aufenthaltsbewilligung oder Entsendemeldung an und geht bis zur täglichen Dokumentation der Arbeitsstunden. „Daher gibt es im HR-Bereich Mitarbeiter, die acht Stunden am Tag nur Kästchen ausfüllen und sich mit nichts anderem beschäftigen können“, so Ewald Oberhammer, Gründer von Oberhammer Rechtsanwälte, einer Kanzlei in der Wiener Innenstadt, die sich auf den Bereich Corporate Migration spezialisiert hat und 2014 die Legal-Tech-Plattform COMIC entwickelte, um diesen Bereich zu digitalisieren.
Wie kamen Sie auf die Idee, dass es hier dringend Innovation braucht?
Wir arbeiten seit 20 Jahren in einem Nischenbereich, der sich Corporate Migration nennt. Dabei handelt es sich um den internationalen Personaltransfer für kleine Unternehmen, aber auch für mittelständische sowie ganz große Unternehmen. Dieser Bereich war in der EU lange Zeit sehr schwach besetzt, in der Betreuung sowie in der Beratung und auch in der Compliance. Wir waren somit unter den Ersten in Österreich, die begonnen haben, diesen Bereich systematisch aufzuziehen und zu bearbeiten. Somit haben wir im Lauf der Jahre sehr viele dieser Verfahren gemacht – Tausende pro Jahr – und haben erkannt, dass hier alles immer noch händisch mit Excel-Tabellen gemacht wird.
Dann haben Sie ein Immigration Service Tool, IST, geschaffen. Was macht dieses genau?
Da fokussieren wir uns auf einen komplexen Bereich der Dokumentations- und Bereithaltungspflichten. Wenn man Personen zum Arbeiten nach Österreich entsendet, dann müssen sie sich registrieren und täglich gewisse Schritte machen, etwa die Arbeitsstunden dokumentieren. Früher war es so, dass es eigene HR-Mitarbeiter gab, die den ganzen Tag nur Kästchen ausfüllen mussten – da haben wir gesagt, das muss dringend digitalisiert werden, und haben eine Plattform geschaffen, in der die Daten digital mitgeschrieben werden. Wenn jemand etwas nicht ausfüllt, dann alarmiert das System. Das haben wir jetzt acht Jahre lang stark einsetzen können, vor allem etwa auf Baustellen, wo Hunderte von Mitarbeitern sind und man schnell den Überblick verliert. Das IST ist das erste von drei Angeboten, die es im Rahmen unserer COMIC-Plattform (COMIC = Corporate Migration Center, Anm.) gibt.
Beim Immigration Service Tool geht es also um Compliance bei den Dokumentations- und Bereithaltungspflichten. Wofür werden die anderen beiden Tools verwendet?
Genau, das Immigration Service Tool ist für Businesskunden gedacht, die für jeden Mitarbeiter, der nach Österreich entsendet ist, Daten sammeln und diese im Fall einer Kontrolle durch die Finanzpolizei bereithalten müssen. Als Zweites gibt es das Track Management Tool, das die Fristen der verschiedensten Arten von Aufenthaltstiteln, Beschäftigungsbewilligungen und Entsendemeldungen überwacht: Wann müssen etwa Anträge für die Verlängerungen eingebracht werden? Da bekommt man dann alle zwei Tage Benachrichtigungen gestaffelt nach Verantwortungsbereichen – wer wann wo was tun muss. Es gibt kein händisches Excel-File mehr bei uns, sondern nur noch das Track Management Tool, das natürlich mit dem Immigration Service Tool kommuniziert, wo es nötig ist.
Dann folgt als drittes Tool unser On-Boarding House – das ist eine Plattform, die für Privatpersonen gemacht ist, also Drittstaatsangehörige, die nach Österreich kommen wollen. Hier kann man seine Daten sicher in unser System hochladen und gleichzeitig den Status des Antrags sehen. Das kann man sich so vorstellen: Wenn man aus Indien oder aus Amerika nach Österreich kommt, gibt es eine Menge an Dokumenten, die man braucht, von der Geburtsurkunde bis hin zu Sprach- und Ausbildungsnachweisen; das On-Boarding House sammelt all diese Dokumente und zeigt an, was passt und was noch fehlt, um eine bestimmte Phase des Immigrationsprozesses zu starten oder zu beenden. Unser letztes Tool – die Akademie – wurde erst in diesem Monat gelauncht: Dabei handelt es sich um eine Art digitales Weiterbildungsangebot. Wir werden in diesem Corporate-Migration-Bereich relevante Themen in Webinarform anbieten und auf Basis der Webinare auch Tests machen, wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter einer Prüfung durch unsere Juristen unterziehen möchte.
Wer darf diese Tools in Anspruch nehmen?
Das Immigration Service Tool ist an unsere Leistung als Kanzlei gebunden, das heißt, unsere Kunden bekommen das automatisch, alleine kann man es aber nicht bedienen. Die Software allein bringt einem wenig, weil man die juristische Expertise trotzdem braucht. Das On-Boarding House wird aber für jeden zugänglich sein, auch für Privatpersonen; für diese ist dieses Tool auch gemacht. Das Track Management Tool können Unternehmen jeder Größe in Lizenzform erwerben, um dann das Fristenmanagement mit denselben Standards vorzunehmen, die auch wir anwenden.
Ist COMIC nur in Österreich einsetzbar – und gibt es Konkurrenten?
Es ist maßgeschneidert für Österreich und so etwas hat eigentlich noch niemand in der Form entwickelt. Es gibt ein paar Konkurrenten, die etwas Ähnliches entwickelt haben, das steht natürlich jedem frei – aber wir glauben, dass wir mit unserem Produkt das umfassendste derzeit am Markt befindliche Produkt haben.
Ewald Oberhammer
...gründete 2014 die Kanzlei Oberhammer Rechtsanwälte und launchte im selben Jahr das Legal-Tech-Tool COMIC, das den Corporate-Migration-Bereich digitalisieren soll.
Text: Forbes Redaktion
Fotos: David Visnjic
Dieser Advoice erschien in unserer Ausgabe 3–22 zum Thema „KI“.