REINE KOPFSACHE

Geld und Inflation sind logische Konstrukte – aber sie sind der Psychologie der Marktteil­nehmer und deren subjektiven Erwartungen ausgesetzt, das wird aktuell glasklar.

Es gibt viele Gründe dafür, warum die Inflation in der Eurozone und in den USA so hoch ist wie gerade eben: Diese Entwicklung ist begründet in der Pandemie, dem daraus resultierenden gestiegenen Konsum, der Angebotsknappheit durch Lieferkettenengpässe – aber eine große Rolle spielt auch die Angst vor der Inflation.

Es gibt sogar einen eigenen Begriff dafür: Inflationspsychologie ist eine Geisteshaltung, die Verbraucher dazu veranlasst, mehr Geld auszugeben, als sie es sonst tun würden, in dem Glauben, dass die Preise steigen. Sie glauben, sie könnten Geld sparen, wenn sie jetzt und nicht später kaufen. Die Inflationspsychologie kann so zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, denn wenn die Verbraucher mehr ausgeben und weniger sparen, steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, was die Inflation weiter anheizt und zur Inflationspsychologie beiträgt. Tatsächlich beobachten wir in den USA wachsende Verbraucherausgaben, sodass auch die US-Wirtschaft ebenfalls weiterhin wachsen dürfte.

Seit Monaten versuchen die Notenbanken deshalb auch, uns einzubläuen, die Inflation sei nur vorübergehend hoch. Aus dem Protokoll der Fed-Sitzung, das die Notenbank nach jedem Treffen veröffentlicht, geht trotzdem hervor, dass die Notenbankbeamten offenbar die Möglichkeit in Erwägung gezogen haben, die Zinssätze weiter anzuheben, um das Wirtschaftswachstum absichtlich zu verlangsamen und damit die Inflation zu bekämpfen. Mit der Anhebung um einen halben Prozentunkt in diesem Monat wurde der Leitzins der Fed bereits erhöht – Fed-Präsident Jerome Powell sagt, die Fed sei entschlossen, die US-Inflation zu senken. Die EZB war lange zaghaft. Jetzt heißt es, eine Anhebung der Zinssätze um 50 Basispunkte im Juli, sei „eindeutig nicht vom Tisch.“

Denn auch, wenn die Ursache der Inflation nicht immer greifbar ist, sind die Konsequenzen es sehr wohl. Unternehmen und Konsumenten leiden ganz real – Unternehmen erwähnen seit mehreren Quartalen in ihren Quartalsberichten, wie sehr die Inflation ihnen zu schaffen macht; die Stimmung der US-Verbraucher sank derweil Anfang Mai aufgrund anhaltender Inflationsängste auf den niedrigsten Stand seit beinahe
elf Jahren.

Nachdem die Aktienmärkte sich vor der Inflation gefürchtet haben, müssten sie nun besagte Maßnahmen zur Bekämpfung derselben begrüßen und diese mit Kauflaune belohnen. Stattdessen steht die Wall Street im Bärenmarkt, konkret 20 % entfernt vom letzten Hoch. Auch hier gibt es unterschiedliche Gründe, unter anderem gestiegene Finanzierungskosten, aber hier spielt ebenfalls Psychologie eine Rolle. Steigende Zinsen zeigen auch: Die Fed kann ihr Narrativ der vorübergehenden Inflation nicht aufrechterhalten. Es wird von vielen als eine Art Misstrauensvotum interpretiert. Es ist eben doch alles Kopfsache.

Sophie Schimansky,
Deputy Editor in Chief

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