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Das deutsche Ed-Tech-Unternehmen Simpleclub erleichtert Millionen von Schülern und Schülerinnen das Lernen. Im Herbst will es ins Ausland und in den B2B-Bereich expandieren. Doch eines will das Start-up von Alexander Giesecke und Nicolai Schork nicht: die Schule ersetzen.
Heute flashe ich die Lehrer damit, dass ich eine Zwei schreibe, weil ich nämlich eure Videos gucke“, sagt eine aufgeregte Schülerin in die Kamera. „Mir hat die App bei allen möglichen BWL-Themen schon das Leben gerettet“, lautet das Fazit einer anderen. Ein Review aus dem App-Store liest sich so: „Simpleclub hat mir schon oft in fünf Minuten das beigebracht, was der Lehrer in fünf Stunden nicht ansatzweise schafft.“ Was haben diese Posts gemeinsam? Hinter jedem stehen Schüler, die sich mit der deutschen Lernplattform Simpleclub auf eine Schularbeit oder gar auf das Abitur vorbereiten.
Das Unternehmen wurde 2015 gegründet, seine Geschichte begann aber drei Jahre zuvor, als Alexander Giesecke und Nicolai Schork, damals 17 Jahre alt, anfingen, auf Youtube Mathe-Videos zu veröffentlichen. Das große Geschäft konnten sie damit anfangs nicht machen: „Nach sechs Monaten hatten wir so um die zehn US-$ verdient“, erinnert sich Giesecke heute. Doch das positive Feedback, das die beiden für ihre Videos bekamen, motivierte sie dazu, weiterzumachen – und nach etwa einem halben Jahr fingen die Abonnentenzahlen an, zu steigen. 2014 war der Mathe-Kanal so beliebt, dass Giesecke und Schork beschlossen, auch Videos zu den Fächern Biologie, Chemie und Physik anzubieten, wofür sie ihre ersten Angestellten an Bord holten. Ein Jahr später wurde The Simple Club GmbH gegründet.
Die Youtube-Kanäle zogen immer mehr Leute an, doch 2018 fassten die Gründer einen Beschluss: Sie wollten nicht nur Videos machen, sondern eine eigene Lernplattform aufbauen. Die Entscheidung war hart. „Wir waren profitabel, wir hatten schon 30 Leute, aber wir haben einfach gemerkt: Mit dem Setup sind wir nicht in der Lage, diesen Pivot zu machen“, erinnert sich Schork. Und: „Da mussten wir damals die Hälfte des Teams entlassen was, to be honest, bis heute einer der schwierigsten Momente für uns war.“ Giesecke fügt hinzu: „Wir haben 2018 quasi alles weggeschmissen und die gesamte Firma von null neu aufgebaut.“
Ein Jahr nach dem Launch der Lernplattform machte das Start-up, das zu dem Zeitpunkt nur noch „Simpleclub“ hieß, eine halbe Million Profit. Heute hat das Unternehmen ca. zwei Millionen Nutzer und um die 150 Mitarbeiter. Es bietet 20.000 Videos, Aufgaben und Zusammenfassungen an und ist profitabel (genaue Umsatzzahlen nennt die Firma nicht). Wodurch hebt sich Simpleclub vom Mitbewerb ab? Während die meisten Konkurrenten versuchen, ihr Produkt den Eltern zu verkaufen, stehen bei Simpleclub die Schüler im Fokus. Ähnlich wie bei Unternehmen wie Netflix oder Spotify, versucht Simpleclub die Schüler so sehr von der Lernplattform zu überzeugen, dass sie sich von ihren Eltern ein Abo wünschen. „Die Schüler und Schülerinnen müssen begeistert vom Produkt sein und pitchen dann ihren Eltern, dass sie das haben wollen“, erklärt Giesecke. Grinsend fügt er hinzu: „Weil wenn deine Eltern zu dir kommen und sagen ,Ich hab dir eine Lern-App gekauft, nutz’ die mal …‘ – Da haben die meisten sicher nicht so viel Lust darauf.“
Die Strategie ist beim Marketing des Unternehmens schnell erkennbar. Während auf der Instagram-Seite von Go Student, einem österreichischen Ed-Tech und das am höchsten bewertete Start-up des Landes, Beiträge wie „Vier Bücher, die man auf Englisch gelesen haben muss“ zu finden sind, postet Simpleclub fast ausschließlich Memes. Auch das Endprodukt ist eindeutig für Schüler gemacht. „Moin Leute! Finanzkrisen kennt ihr alle aus eurem Alltag, zum Beispiel wenn mal wieder das Taschengeld zu schnell alle ist und ihr bis zum Ende des Monats blank seid“, beginnt ein Video zu den Grundlagen von Finanzkrisen.
Doch hinter der lockeren Präsentation versteckt sich ein qualitativ hochwertiger Produktionsprozess. Das Education Team, welches die Videos, Aufgaben und Zusammenfassungen erstellt, besteht aus ca. 80 Lehramt-Studierenden und Didaktik-Experten. Vor der Produktion jeder Lernstory wird ein didaktisches Konzept erstellt, mit dem Ziel, die Nutzer auf Augenhöhe anzusprechen und einen roten Faden durch den gesamten Lernblock zu ziehen. Ist das didaktische Konzept erstellt, wird es von anderen Autoren überprüft. Erst dann beginnt die Produktion. Durch Nutzerfeedback und interne Daten – etwa, wie gut Schüler nach dem Schauen eines Videos bei den anschließenden Aufgaben abschließen – werden die Inhalte außerdem laufend verbessert.
Ähnlichen Content wird es bald auch für Azubis und für Schüler in anderen Ländern geben. Denn dank einer 7,2-Millionen-€-Series-A-Finanzierungsrunde will Simpleclub bis Ende des Jahres 20 Ausbildungsberufe in der App anbieten. Dabei arbeitet das Start-up mit etablierten Unternehmen wie der Deutschen Bahn, der Deutschen Sparkasse oder Telekom zusammen.
Außerdem soll die App, die bis heute nur im DACH-Raum verfügbar ist, bis Oktober auch in Spanien und Lateinamerika launchen – Länder, in denen Prüfungen ähnlich aufgebaut sind wie im Heimatmarkt. Dabei kommt Simpleclub eine smarte Unternehmensstruktur zugute. Denn die Datenbanken sind so aufgebaut, dass sie mithilfe einer KI leicht übersetzt werden können. Braucht die ursprüngliche Erstellung einer Lernstory vier bis sechs Wochen, kann sie auf Knopfdruck übersetzt und in wenigen Stunden überprüft werden. „Wir erstellen 20 Übungsaufgaben zur Polynomdivision“, nennt Schork ein Beispiel. „Aber die erstellen wir so, dass wir eine Art Template bauen, sodass wir einmal die Aufgabe erstellen und diese dann mit verschiedenen Variablen füllen. Und wenn wir diese 20 Aufgaben übersetzen, müssen wir nur dieses Template übersetzen und haben mit einem Klick die kompletten Inhalte übersetzt.“
Sowohl im DACH-Raum als auch in anderen Ländern werden Lösungen von Ed-Tech-Unternehmen noch wenig in den klassischen Unterricht einbezogen – eine Tatsache, die Schork und Giesecke auf jeden Fall ändern möchten und deshalb auch mit der deutschen Bundesregierung im Gespräch sind. Gieseckes Vision für die Zukunft: „Die scharfe Trennung von Schulsystem und digitalen Lösungen fürs Lernen wird auf jeden Fall verschmelzen. Das heißt, es wird ein Ökosystem an verschiedenen Ed-Techs geben, die alle bestimmte Dinge richtig gut machen und dann auch in der Schule integriert werden.“ Simpleclub soll auf jeden Fall Teil dieses Ökosystems sein, die Schule soll es aber nicht ersetzen – das betonen die beiden Gründer mehrmals. Doch mit ihren starken Individualisierungsmöglichkeiten – Schüler können zum Beispiel im eigenen Tempo lernen – soll die App eine der größten Schwächen des Schulsystems beheben. „Ich glaube, es gibt so viele Leute, die ihr Potenzial nicht ausleben können, weil das Lernen im aktuellen Schulsystem sie einfach nicht abholt und sie nicht in diese Schablone passen“, konstatiert Giesecke. Optimistisch fügt er hinzu: „Und wenn man das aber aufmacht und Leuten die Möglichkeit gibt, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, dann würde das eine deutlich spürbare Veränderung geben.“
Alexander Giesecke und Nicolai Schork fingen mit 17 Jahren an, Mathe-Videos auf Youtube zu veröffentlichen. Heute sind die beiden 27 und ihr Start-up Simpleclub hat das Lernen außerhalb des Klassenzimmers revolutioniert.
Text: Erik Fleischmann
Fotos: simpleclub