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Extended Reality – Technologie zur Erweiterung der Realität – assoziieren viele mit zu schweren Virtual-Reality-Headsets und schwindelerregenden Computerspielen. Doch auch im Industriebereich findet die Technologie Anwendung.
Der Chirurg operiert am offenen Herzen, macht einen Fehler, der Patient verstirbt. Genervt nimmt der Arzt sein VR-Headset ab und schaut sich die Aufzeichnung der Simulation an, um den Fehlgriff zu finden. Während der echten Operation werden ihm hochauflösende 3D-Modelle, basierend auf Röntgenaufnahmen, direkt ins Sichtfeld eingeblendet werden, sodass er auf Informationen zugreifen kann, ohne seinen Blick vom Patienten zu wenden. Solche Technologien vereinfachen Chirurgen nicht nur die Arbeit, sondern retten Menschenleben. Schienen sie vor zehn Jahren noch wie aus einem Sci-Fi-Film, sind sie heute Realität.
Ermöglicht werden sie von Unternehmen wie Holo-Light. Das Tiroler Start-up macht Software für Extended-Reality(XR)-Applikationen, also alles, was den Benutzer in eine virtuelle Realität (VR) eintaucht, oder digitale Inhalte in Räume und auf Oberflächen der realen Welt einblendet, genannt Augmented Reality (AR). Die Anwendungszwecke sind vielseitig. XR hilft Unternehmen, neues Personal zu schulen, geplante Produkte zu testen, Fehlfunktionen zu finden etc. Die Stärke dieser Anwendungen: In der virtuellen Welt geht alles schneller und billiger.
Wurde etwa ein Auto entworfen, müssen Ingenieure nicht monatelang auf den Bau eines Prototyps warten, sondern können mit Holo-Lights AR3S-Software innerhalb weniger Minuten ein virtuelles 3D-Modell vor sich haben. Einzelne Teile können digital vergrößert, bearbeitet und getestet werden. So kann etwa BMW, einer von Holo-Lights Kunden, Designentscheidungen ein Jahr schneller abschließen. Denn immer, wenn digitale Inhalte „analogisiert“ werden – etwa durch das Drucken eines Dokumentes oder eben das Bauen eines Prototyps –, ist das ein „Bruch in dieser digitalen Kette“, erklärt Florian Haspinger, der CEO und einer der Gründer von Holo-Light. „Dabei passieren Fehler, das ist aufwendig, extrem kostenintensiv – und vor allem schränkt es den Menschen extrem in seiner Gestaltungsvielfalt ein.“
Um in die XR-Welt einzutauchen, brauchen Nutzer jedoch eine XR-Brille – zum Beispiel Microsofts Holo Lens 2 oder Metas Quest 2 – und die sind aufgrund ihres zwangsweise kleinen Formats nicht so leistungsstark wie ein Computer. Um dieses Problem zu umgehen, hat Holo-Light ISAR (Interactive Streaming for Augmented Reality) entwickelt. Dieses Tool – das Holo-Light ab 800 € monatlich anbietet – ermöglicht es Entwicklern, ihre XR-Apps streamingfähig zu machen. So können Daten, also zum Beispiel 3D-Modelle, auf einem Computer oder in der Cloud verarbeitet und anschließend auf dem Endgerät gestreamt werden. Das Konzept ist ähnlich wie bei Netflix, wo Filme am persönlichen PC nur gestreamt, aber nicht gerendert, also verarbeitet, werden. So lädt der Film schneller (das Rendern von Videos dauert Stunden, das Streamen Sekunden). Für XR-Apps, die mittels ISAR auf AR-Brillen gestreamt werden, ermöglicht die Technologie höherauflösende, genauere XR-Modelle.
Damit Holo-Lights Entwicklertool möglichst gut mit den VR- und AR-Applikationen seiner Kunden integriert ist, setzt das Start-up auf eine enge Zusammenarbeit: „Ohne die Nähe zum Kunden kann man so was nicht bauen“, meint Haspinger. Über hundert Unternehmen in Europa, Amerika und Asien bedient die Tiroler Firma mittlerweile. Das anfangs beschriebene Szenario ist zum Beispiel das Resultat einer Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Medtech-Start-up Enhatch. Bei den meisten Kunden handelt es sich um Industrieunternehmen wie Siemens Healthineers oder BMW.
Seit der Gründung im Jahr 2015 ist Holo-Light auf 70 Angestellte und drei Standorte gewachsen: Innsbruck, München und seit Mai auch Durham, North Carolina. Die Gründung des US-amerikanischen Büros ist ebenfalls durch die Suche zur Kundennähe motiviert. „In erster Linie geht es uns mit dem Office in Durham darum, die Kunden in den USA, die wir schon haben, besser zu unterstützen“, sagt Haspinger.
Dabei helfen soll eine Series-B-Finanzierungsrunde, die im ersten Halbjahr 2023 abgeschlossen werden soll. Genaue Zahlen will der CEO nicht nennen, es soll sich aber um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln. Neben der Expansion in die USA soll das Geld zum Ausbau von Holo-Lights XR-streaming Plattform, XRnow, verwendet werden. Ziel sei es, zum „Netflix für AR und VR“ zu werden, erklärt Haspinger. Und: XRnow „ist eine Plattform, um AR- und VR-Applikationen im industriellen Umfeld zu streamen, zu nutzen und zu skalieren.“ Denn obwohl im XR-Feld Technologie-Giganten wie Apple, Alphabet, Meta oder Microsoft mitmischen, gibt es laut Haspinger noch keine solche Plattform für das Industrial Metaverse.
Der 32-jährige Florian Haspinger ist CEO des XR-Unternehmens Holo-Light. Mit AR- und VR-Software hilft das Tiroler Start-up anderen Unternehmen, in das Industrial Metaverse zu gelangen, einer digitalen Welt, in der Firmen ihre Produkte testen und ihr Personal schulen können. Mittlerweile hat Holo-Light 70 Angestellte und ist an drei Standorten vertreten.
Dass XR ein heißes Thema bleiben wird, zeigen diese Zahlen: Allein im vierten Quartal 2021 pumpten Venture Capital Fonds fast zwei Milliarden US-$ in den Markt. CEOs wie Apples Tim Cook oder Satya Nadella von Microsoft sehen ebenfalls großes Potenzial für AR- und VR-Produkte. Florian Haspinger ist ebenfalls überzeugt: „In den nächsten 20 Jahren wird die Technologie AR überall im industriellen Umfeld ihren Einsatz finden.“ Und, obwohl Holo-Light keine Verbraucherprodukte anbietet, ist Haspinger überzeugt davon, dass XR das Potenzial hat, Menschen den Alltag auch im Privatleben zu erleichtern.
Text: Erik Fleischmann
Foto: Holo-Light