DIGITALES (NACH-)LEBEN

Was passiert mit dem virtuellen Ich, wenn das irdische nicht mehr ist? Viele Angehörige stellen sich diese Frage – die Gründer Frederic Heigel und Mark Röhrig können helfen: Ihr Start-up Userwill ist spezialisiert auf die digitale Nachlassverwaltung.

Ihr Geschäft ist der Tod, doch Frederic Heigel und Mark Röhrig strahlen jede Menge Optimismus und Lebensfreude aus. Sie glauben, dass fünf Minuten Nachdenken über den eigenen digitalen Nachlass nicht nur die digitale Präsenz, sondern auch die Lebenseinstellung verändern.

Was sind ihre Beweggründe? Sie beziehen ihre Motivation aus der Möglichkeit, etwas zu bewirken. Aus eigener Erfahrung wissen sie, wie unangenehm der Umgang mit dem digitalen Nachlass eines geliebten Menschen für die Hinterbliebenen sein kann. Also sind sie in Aktion getreten.

Laut einer Analyse von Kepios nutzen weltweit 4,65 Milliarden Menschen soziale Medien, was 58,7 Prozent der gesamten Weltbevölkerung entspricht. Allerdings ist die Verwaltung von Online-Konten nach dem Tod ein relativ neues Thema – das aber immer dringlicher wird. Je älter die Nutzer werden, desto größer die Zahl inaktiver Konten.

Apple, Facebook, Google und Instagram haben Richtlinien für den Fall, dass ein Social-Media-Nutzer stirbt. Das Problem ist, dass diese Richtlinien unterschiedlich sind und nur für den jeweiligen Kanal gelten. Ein digitales Testament hingegen ermöglicht es zu entscheiden, was mit allen Konten nach dem Tod einer Person geschehen soll. Das ist auch das Ziel von Userwill: Die Nutzer weisen nach, welche digitalen Konten sie haben, und Userwill kümmert sich um ihre Wünsche und regelt den Nachlass für die Nutzer und deren Angehörige.

Ähnliche Dienste bieten unter anderem auch Memoresa und Farewill an. Was macht Userwill anders? Heigel und Röhrig wollen die Prozesse vollständig automatisieren und sich auf die technologische Unterstützung rund um das digitale Erbe konzentrieren. „Für uns geht es bei der Technologie nicht nur darum, Informationen zu speichern und im Todesfall lediglich an die Angehörigen weiterzugeben“, sagt Heigel, „Userwill hilft trauernden Angehörigen, diese Informationen im Todesfall sofort an verschiedene Stellen zu übermitteln.“ Auf diese Weise, so Heigel und Röhrig, könne man Plattformen und Menschen gleichzeitig helfen.

Weder Heigel noch Röhrig denken wie klassische gewinnorientierte Unternehmer, sie sehen ihre Arbeit als Dienst an der Gesellschaft. Als junge Gründer haben sie einen guten Blick für die Probleme im Zusammenhang mit einer digitalen Existenz – schließlich ist ihre Generation tiefgreifender mit den sozialen Medien verbunden als alle vorherigen.

Userwill befindet sich noch in der Gründungsphase, hat aber schon rund 900 Menschen in Deutschland, Frankreich und Österreich kostenlos und ehrenamtlich beraten. 40 Menschen haben sie mit ihrem Prototypen geholfen und 32 Menschen testen aktuell das neue Userwill.

Vier Jugendliche, Frederic Heigel, Mark Röhrig, Nico Hofmann und Nora Weirich...
...haben sich zusammengetan, um über die Frage nachzudenken: Was passiert mit Online-Konten nach dem Tod? Ihr soziales Start-up Userwill bietet einige Vorschläge.

Die Rückmeldung ist positiv, sie haben Preise gewonnen und bekommen Anerkennung. Doch langfristig müssen auch sie Kosten und Einnahmen ausgleichen können. Die Zahl der Nutzer steigt, und um diese angemessen bedienen zu können, wollen Heigel und Röhrig ab Herbst einen Jahresbeitrag berechnen. Allerdings soll für schwerkranke Menschen Userwill immer kostenlos bleiben.

Text: Ekin Deniz Dere
Foto: Emily Piwowar

Ekin Deniz Dere,
Redakteurin

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