DIE FUSION AUS REALEM UND DIGITALEM

Augmented und Virtual Reality werden nicht nur im Tourismussektor, sondern auch im Gesundheits- und Bildungswesen als Instrumente der Digitalisierung eingesetzt. Franco Lanfur, CEO und Gründer von Virtual and Augmented Reality Studio (VARS), erzählt die Geschichte seines Start-ups und gibt Einblicke in die Auswirkungen dieser Technologien.

Wie sind Sie in den Bereich Augmented Reality im Tourismussektor ­gekommen?
Franco Lanfur (FL): Ich bin in Guatemala in Mittelamerika geboren und vor etwa zehn Jahren hierher nach Wien gekommen, um Architektur zu studieren. Schon als Kind fand ich historische Architektur sehr interessant. Während meines Studiums hier hatte ich die Möglichkeit, mehr über die historische Architektur Österreichs und Europas zu erfahren. In Guatemala haben wir eine ganz andere Kultur, nämlich die der Mayas. Deshalb war es für mich sehr interessant, zum Beispiel die Architektur des Mittelalters oder die römische Architektur kennenzulernen, und es war einfach erstaunlich.

Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, VARS zu gründen?
(FL): Als ich einmal in der Nähe des Stubentors spazieren ging, sah ich dieses kleine Architekturmodell, das die Mauern zeigte, die die Stadt einst umgaben. Und dank meines Studiums konnte ich mir das so vorstellen, dass diese Festung genau durch das Stubentor und den Ring und so weiter ging. Aber ich konnte meinen Freunden nicht klar machen, wie cool das eigentlich gewesen sein muss, weil ich der Einzige war, der Architektur studierte. Auf der anderen Seite habe ich mich während meines Architekturstudiums mit Virtual Reality und Augmented Reality beschäftigt. Das war auch für mich sehr interessant, denn ich bin eher ein Technik-Typ. Ich sagte mir, warum nutze ich nicht Augmented Reality, um meinen Freunden zu zeigen, wie die Stadt in der Vergangenheit ausgesehen hat. Vor etwa fünf Jahren habe ich angefangen, nach einer Augmented-Reality-App zu suchen, die das kann. Aber ich habe nichts gefunden. Und da ich an der Universität ein wenig über VR und AR gelernt hatte, kannte ich die Konzepte, die Prinzipien und die Grundlagen, Und so habe ich experimentiert.

Welche Schwierigkeiten hatten Sie zu überwinden?
(FL): Ich habe ganz allein angefangen, VARS ist also selbst finanziert. Wir hatten keine Investitionen von außen, egal welcher Art. Und jetzt bin ich Österreicher, aber als Ausländer aus Guatemala brauchte man immer eine Genehmigung, um hier zu arbeiten. Ich habe zwei Jahre gebraucht, um das Arbeitsvisum zu bekommen, um mich nur auf das Unternehmen zu konzentrieren, und dann zwei Jahre, um die Staats­bürgerschaft zu bekommen

Die neuen Generationen sind diejenigen, die den Weg in die Zukunft weisen, weil sie quasi in das digitale Zeitalter hineingeboren werden.

Franco Lanfur

Können Sie ein wenig über die verschiedenen Produkte sprechen, die Sie anbieten?
(FL): Wir sind ein Studio, das VR- und AR-Programme und Anwendungen für andere Unternehmen entwickelt. Wir arbeiten hauptsächlich im B2B-Bereich und der Tourismus war unser Hauptaugenmerk, als wir 2019 anfingen. Aber leider hat die Pandemie den Tourismussektor ziemlich hart getroffen. Viele unserer Kunden haben potenzielle Projekte aufgrund der Unsicherheit gestoppt. Deshalb haben wir begonnen, mit anderen Unternehmen aus anderen Branchen zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel arbeiten wir mit Psychologen zusammen, die mit Simulationen Patienten mit Phobien behandeln, zum Beispiel bei Höhenangst. Dank der virtuellen Realität kann man sich seiner Angst in einer kontrollierten, virtuellen Umgebung stellen. Dieser Zwischenschritt hat sich also als ein erstaunlicher Anwendungsfall für die virtuelle Realität erwiesen. Wir hatten die Gelegenheit, einige Simulationen für einen unserer Kunden zu entwickeln, und arbeiten derzeit an einer Reihe von Bildungsanwendungen. Und wir entwickeln auch Social-Media-Filter für Marketingzwecke. Dabei handelt es sich um eine Art einfacher Augmented Reality.

Wie ist der Einfluss von AR auf die Welt aus Ihrer Sicht?
(FL): Ich denke, dass es sehr bald überall angewendet wird. Im Tourismus ist es noch nicht so weit verbreitet. Im Bildungswesen und wahrscheinlich auch im Gesundheitswesen wird es am häufigsten eingesetzt, aber es hat das Potenzial, sich auf jede Branche auszuwirken. Ich spreche immer wieder gerne über all die Bildschirme, mit denen man sich umgibt, zum Beispiel den Bildschirm des Telefons, des Computers usw. Ich denke, dass es durch AR möglich ist, all diese Bildschirme loszuwerden, und dass man sie zum Beispiel auf seiner Brille haben kann, wie die, die Sie haben, und die es Ihnen ermöglichen wird, die Wetter-App zu überprüfen, indem Sie einfach in den Himmel schauen, und so weiter.

Wie groß ist der Markt für Augmented Reality und mit wem ­konkurrieren Sie in Europa?
(FL): Ich würde also sagen, der Markt ist einfach riesig. In Zukunft könnte AR in jedem Aspekt unseres Alltags implementiert sein. Es ist wie das Internet oder das Smartphone, wie ich es sehe. Die großen Player auf dem Markt sind natürlich Meta, Google, Apple, Microsoft und so weiter. Aber speziell für den Tourismus gibt es hier in Wien „VR Tours“ und auch in Österreich gibt es andere Virtual-Augmented-Reality-Entwicklungsstudios wie Polycular oder Svarmony. In Rom gibt es ebenfalls einige Unternehmen, die VR-Touren anbieten. Aber wenn wir über AR sprechen, sind die Anwendungen eher einmalige Projekte, und es gibt meines Wissens noch kein Unternehmen, das sich vollständig auf AR für den Tourismus konzentriert. Deshalb wollten wir das am Anfang, vor der Pandemie, machen und jetzt wollen wir uns wieder auf diese Nische konzentrieren.

Franco Lanfur, 30, wurde in ­Guatemala geboren und ­studierte Architektur an der Technischen Universität Wien. Historische Architekturstile aus Österreich und Europa faszinierten ihn früh – inzwischen entwickelt er AR- und VR-Anwendungen für Unternehmen.

Besteht die Möglichkeit, dass AR und VR den Tourismussektor negativ beeinflussen können?
(FL): Meine persönliche Meinung ist, dass dies kurzfristig nicht der Fall sein wird. Es ist eigentlich genau das Gegenteil. Vielleicht wird man durch einige Orte gehen und sich eine Virtual-Reality-Brille besorgen, um dort etwas zu sehen und zu erleben, was man nicht wirklich erleben kann, weil es zu gefährlich, zu kostspielig oder zu schwierig ist. Ich glaube also, dass es positive Auswirkungen haben wird. Aber eine Sache, die ich bei den sozialen Medien gelernt habe, ist, dass es auch eine Frage der Generationen ist. Vielleicht findet die jüngere Generation es cool und wird es nutzen. Die neuen Generationen sind diejenigen, die den Weg in die Zukunft weisen, weil sie quasi in das digitale Zeitalter hineingeboren werden.

Text: Ekin Deniz Dere
Foto: VARS und Florian Wieser

Ekin Deniz Dere,
Redakteurin

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