Lisa Eckhart

Die Bühne ist ihr Zuhause. Machte sich Lisa Eckhart anfangs als Poetry Slammerin einen Namen, reißt sie ihr Publikum nun als Kabarettistin mit.

Es gibt Dinge, die Lisa Eckhart mehr liebt als das Bad in der Menge. Nach ihren Vorstellungen würde die Kabarettistin am liebsten direkt nach Hause. Sie scheut den Glitzer und Glamour im Rampenlicht. Zwischenmenschliche Kommunikation sieht sie eher als Last denn Bereicherung, erzählt die 24-jährige Steirerin, die heute in Berlin lebt. Angesichts ihres extravaganten und eloquenten Auftretens würde man eigentlich anderes vermuten. Schaden tut ihr dies trotzdem nicht – im Gegenteil: In den vergangenen Jahren eroberte sie die deutschsprachigen Bühnen im Sturm. 2015 räumte Eckhart den ­ersten Platz bei den Österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften ab, vergangenes Jahr gab es für ihr erstes Soloprogramm „Als ob Sie etwas Besseres zu tun hätten“ den Förderpreis des Österreichischen Kabarettpreises. Erklärungsbedarf braucht es dafür kaum: Das Publikum schätzt ihre zynischen, scharfsinnigen und direkten Texte. Lisa Eckhart gibt es nicht als Künstlerin. Es gibt bloß Lisa Eckhart.

Ich war schon immer sicher, dass ich das publikum verdiene.
Ich war schon immer sicher, dass ich das
publikum verdiene.

Sie sind bereits mit 17 Jahren nach Paris gegangen, um Germanistik und ­Slawistik zu studieren. Was war die größte Herausforderung?

Es gab keine Umstellungen, es war einfach ein anderes Land. Am Anfang war es vielleicht sprachlich schwierig wegen meiner geringen Französischkenntnisse. Aber ich habe das gleiche Einsiedlerleben geführt wie zu Hause. Ich habe in den drei Jahren zwei Franzosen kennen­gelernt. Es ist völlig egal, wo ich geografisch bin, ich werde immer meine paar Quadratmeter aufstellen zum Arbeiten.

Wann haben Sie gewusst, dass Sie auf die Bühne wollen?

Ich war immer schon sicher, dass ich das Publikum verdiene. Aber ich war zu faul, etwas zu leisten. Ich wusste auch nicht, was meine Kunst ist. Die sollen erst mal kommen, dann überlege ich mir, was ich mache. Das hat nicht ganz funktioniert …

Sie haben es dann mit Schauspielen probiert.

Ich habe mir gedacht, es wäre das Einfachste, ich lasse mir Texte ­geben und gehe an die ­Schauspielschulen. Da brauche ich nur ein leeres Gefäß sein. Es hat sich aber herausgestellt, dass ich das nicht kann. Obwohl ich Literatur studiert habe, gab es keine Werke, die mich genug ­faszinierten. Ich habe deswegen begonnen, für die Vorsprechen zu schreiben. An den Schulen haben sie gesagt: Auf der Bühne sind Sie grässlich, aber Sie schreiben ganz in Ordnung. Machen Sie doch damit weiter.

Haben Sie immer schon geschrieben?

Für mich selbst zu schreiben, war nie eine Option. Ich habe weder Tage­buch noch sonst etwas ­geschrieben, weil ich da schon immer sehr ökonomisch veranlagt war. Ich war auch nie so sprachaffin. Ich habe zwar viele Fremdsprachen gelernt, aber nur, weil ich nicht kommunizieren konnte. Ich bin schon eine hochgradig asoziale Natur und habe mir gedacht, je mehr Sprachen ich lerne, desto mehr Sozia­bilität bekomme ich. Dann habe ich festgestellt, dass man sich eventuell annähern kann – aber irgendwie interessiert mich das doch nicht. Ich habe Menschen kennengelernt und gemerkt, ihr seid aber auch fad.

Inwiefern?

Ich bin ein großer Freund von Künstlichkeit und Verlogenheit in der Kommunikation. Bei mir kommt immer die Form vor dem Inhalt. Mir ist egal, was gesagt wird. Hauptsache, die Menschen sagen es mir auf eine künstlerische, exzentrische Weise. Von meinen Mitmenschen erwarte ich mir, dass sie mich belügen, falls es langweilig wird. Es ist unsere Pflicht, uns gegenseitig zu unterhalten, und nicht, die Wahrhaftigkeit zu finden.

Wie sind Sie mit dem Scheitern an den Schauspielschulen umgegangen?

Es waren sicher über zehn Schulen und da waren schon einige Ohrfeigen dabei. Scheitern finde ich immer grandios. Es lehrt dich wahnsinnig viel. Allein deswegen würde ich es noch mal machen. Weil es wichtig ist, ordentlich eine reinzubekommen. Das härtet schon ab.

Würden Sie heute lieber heftig ausgebuht werden oder ein tröpfelndes Klatschen ernten?

Ausgebuht werden natürlich. In erster Linie will man so heftige Reaktionen wie möglich. Im Idealfall natürlich positive. Aber die großartigsten Erfahrungen waren mit den Menschen, die mir nach der Vorstellung eine Ohrfeige geben wollten. Das ist berührend, da merkt man, dass man tief gedrungen ist.

Wie sehr entblößen Sie sich auf der Bühne?

Es gibt nichts abseits der Bühne. Es gibt nichts, was ich nicht ­sagen würde, weil alles auf die Bühne hinarbeitet. Alles abseits davon ist Statistentum. Privat liegt mir nichts derart am Herzen, dass ich es davon abschotten würde. Das ist für mich Zeitverschwendung.

Lisa Eckhart stammt aus Leoben und hat sich innerhalb kürzester Zeit einen Namen auf den deutschsprachigen Bühnen gemacht. Anfangs trat sie vor allem als Poetry Slammerin auf – 2015 gewann sie die österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Mit ihrem Kabarett-Soloprogram „Als ob Sie etwas Besseres zu tun hätten“ spielt sie bis Anfang nächsten Jahres in Österreich und Deutschland. Die nächsten drei Programme hat sie auch schon im Kopf, so Eckhart. Nach Stationen in Paris und London lebt sie mittlerweile in Berlin.

Leiden Sie unter Leistungsdruck?

Ja. Ich glaube, das ist bei jedem Menschen so: Je höher der Narzissmus, desto größer sind die Selbstzweifel. Das ist ein Auf und Ab. Aber ich finde es für mich nicht erstrebenswert, dass es sich einpendelt. Natürlich gibt es auch furchtbare Momente an Versagensängsten, aber man genießt auch jene des Übermenschentums. Das will man dann nicht missen.

Wie gehen Sie ans Schreiben heran?

Ich habe strikte Schreibzeiten, vor allem in der Nacht. Dann schließe ich mich zu Hause ein. Untertags habe ich dazu keinen einzigen Gedanken. Es passiert alles mit einem schlafwandlerischen Geschick. Als ich angefangen habe, habe ich nicht gewusst, dass es die Menschen lustig finden. Das habe ich erst allmählich gemerkt. Ich schreibe nicht auf Sinn oder Message. Mir erklären die Menschen später, was sie rausgehört haben. Ich schaue mir an, ob der Text funktioniert. Ich merke sehr schnell, ob ich ihn spielen kann.

Was bedeuten Ihnen Ihre Preise?

Sehr viel. Ich bin ein großer Freund von Ritualisierungen und ­Zeremonien. Mir geht es mindestens genauso viel um die Kunst wie um die Wirkung nach außen. Ich sage es ganz offen: Das Wichtigste für mich ist die Bekanntheit, um irgendwie zu existieren.

Was kommt in Zukunft?

Das jetzige Soloprogramm „Als ob Sie etwas Besseres zu tun hätten“ läuft noch bis Anfang nächsten Jahres. Aber die nächsten drei Kabarettprogramme stehen schon im Kopf. Für Poetry Slam habe ich eigentlich keine Zeit mehr, obwohl ich diese fünf Minuten auf der Bühne sehr schätze.

Zu den weiteren Jahrgängen von 30 Under 30

Fotos: Jiri Turek & Jana Jaburkova

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